Aktuelles Lexikon:Karneval

Über einen Brauch, den nicht jeder Jeck braucht.

Von Joachim Käppner

"In Berlin gibt es keinen Karneval, das ist furchtbar. Das war für mich wirklich ein Kulturschock", klagt Berlins Erzbischof Heiner Koch. Er ist gebürtiger Düsseldorfer und weiß, wie jeder Rheinländer: Wer den Karneval nicht mag, dem ist eh nicht zu helfen; es sei denn, der Skeptiker folgt dem Ruf "Drink doch ene mit", womit der erste Schritt zur Bekehrung vollzogen wäre. Schon 1377 berichten die Quellen über ausschweifendes vastavent in Köln, heute spricht man von Fastelovend (rheinische Definition: "et Pläsiersche vun jedem dä nit doof ess"). Darin steckt, was Karneval, Fasching und ähnliche Feiern verbindet: der Brauch in katholischen Regionen, es vor der freudlosen Fastenzeit noch mal krachen zu lassen, egal ob in Venedig, Rio oder Küdinghoven. Oft, wie in der alemannischen Fastnacht, sind noch gruselig-heidnische Bräuche spürbar. Der rheinische Karneval dagegen erhielt sein besonderes Gepräge, als die Landeskinder 1815 zu ihrem Verdruss Untertanen der protestantischen Spaßbremsen aus Preußen wurden und deren Militärfimmel durch Fantasieuniformen und Narrenorden verhohnepiepelten - was König Friedrich Wilhelm III. als "anomalische, in polizeilicher Hinsicht bedenkliche Volkslustbarkeit" rügte. Noch heute gibt es Menschen, die ähnlich denken. Aber wie heißt es in Köln: "Jede Jeck iss anders."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: