Aktuelles Lexikon:Geständnis

Warum Stephan E. noch nicht als "Täter" gilt, obwohl er gestanden hat.

Von Josef Kelnberger

Wer gerne "Tatort" schaut, könnte fälschlicherweise zum Schluss kommen, ein Kriminalfall sei mit dem Geständnis des Tatverdächtigen erledigt. "Confessio est regina probationum", heißt es im römischen Recht, das Geständnis sei die Königin der Beweismittel - aber es ist eben nur ein Beweismittel von vielen, welche die Staatsanwaltschaft vorlegt. Das Gericht muss jedes Geständnis, egal ob es vor der Polizei oder bei der Verhandlung abgelegt wurde, auf seine Glaubwürdigkeit hin würdigen. Das ist auch der Fall, wenn das vor den Ermittlern abgelegte Geständnis später widerrufen wird; als Beweismittel ist es damit nicht per se ungültig, das Gericht wird sich dann damit befassen, unter welchen Umständen der Beschuldigte eine Tat eingeräumt hat. Es gibt US-Studien, die zum Ergebnis kommen, jedes vierte Geständnis sei falsch. Die Gründe sind vielfältig: Sucht nach Aufmerksamkeit zum Beispiel, der Stress eines scharfen Verhörs, der Versuch, jemand anderen zu entlasten, psychische Probleme. Der Tatverdächtige Stephan E. hat nun den Ermittlern gestanden, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke getötet zu haben. Er ist damit aber immer noch erst ein mutmaßlicher Täter; als Täter darf er streng genommen erst bezeichnet werden, wenn dem Geständnis eine rechtskräftige Verurteilung folgt.

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