Aktuelles Lexikon:Chlorgas

Die Substanz ist leicht zu beschaffen - und tödlich.

Von Sebastian Herrmann

Der Dämon kroch zum ersten Mal am 22. April 1915 in großem Umfang unter Menschen und löschte etwa 1200 Leben aus. An diesem Tag ließ eine deutsche Spezialeinheit an der Westfront im Raum Ypern, Belgien, einen chemischen Kampfstoff ab: 150 Tonnen Chlorgas. Der Wind stand in der gewünschten Richtung, die Soldaten öffneten die Ventile von Stahlflaschen, in denen sich das giftige Gas befand, und der Kampfstoff wehte langsam auf die französischen Stellungen zu. Da Chlor schwerer als Luft ist, hielt sich die toxische Wolke dicht über dem zerschossenen Boden Flanderns und sammelte sich schließlich in den gegnerischen Schützengräben. Chlor ist ein chemisches Element, das in der Natur nur gebunden in verschiedenen Verbindungen auftritt - etwa als Natriumchlorid, also Kochsalz. In der Variante als Chlorgas verursachte der Stoff in der Gegenwart auch immer wieder in Schwimmbädern Unfälle. Dort wird der Stoff genutzt, um das Wasser sauber zu halten. Als Kampfmittel, so zynisch das klingt, ist Chlorgas sehr ineffizient, weswegen alle Parteien des Ersten Weltkriegs bald weit tödlichere Stoffe einsetzten. Heute ist die Substanz vor allem besonders leicht zu beschaffen. Im Südwesten Syriens haben Regierungentruppen angeblich gerade Chlorgas als Kampfmittel genutzt.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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