Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Buße

Am Sonntag praktiziert die katholische Kirche die alte Übung.

"Tut Buße!" Gleich im ersten Satz, den das Markusevangelium von Jesus überliefert, fordert er seine Jünger zur "Metanoia" auf, wie die Buße auf Griechisch heißt: zur Umkehr, zum Umdenken. Die Einsicht, dass man etwas falsch gemacht hat, genügt also nicht, sie muss auch Konsequenzen haben. Den Gedanken besitzt das Christentum nicht exklusiv - im Judentum gibt es zehn Tage der Umkehr vor dem höchsten Feiertag Jom Kippur; im Islam nimmt Allah die Bußhandlungen des Menschen an; im Buddhismus verbessern Reue und Umkehr das Karma. Vor allem aber das mittelalterliche Christentum regelte die Bußpraxis bis ins Kleinste: In der Beichte musste de reuige Sünder seine Tat bekennen und dann Sühne leisten; Kataloge hielten fest, welche gute Tat für welche Sünde zu tun sei - bis heute eine hervorragende Quelle zur Erforschung mittelalterlicher Sexualität. Die Reformation machte der Praxis ein Ende, Ablassbriefe als Zeichen der Buße zu kaufen - die Vorstellung, dass sich die innere Umkehr auch im konkreten Leben materialisieren sollte, ist jedoch geblieben. So gesehen sollen die Gedenkgottesdienste, die diesen Sonntag für die Opfer sexueller Gewalt stattfinden sollen, das äußere Zeichen des Umdenkens in der katholischen Kirche sein. Ob das jedem Betroffenen genügt, ist eine andere Frage.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2018 / Matthias Drobinski
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