Aktuelles Lexikon:Briefwahl

Zu Hause sein Kreuzchen zu machen, wird immer beliebter.

Von Josef Kelnberger

Die fünf Adjektive gehören zum Einmaleins der deutschen Demokratie: allgemein, frei, gleich, geheim, unmittelbar. Diesen Anforderungen müssen Parlamentswahlen laut Grundgesetz genügen. Um den Grundsatz der Allgemeinheit zu stärken, wurde 1957 die Briefwahl eingeführt. Der Wahlzettel muss nicht mehr im Wahllokal in die Urne geworfen werden, man kann ihn zu Hause ausfüllen und per Brief verschicken. Damit sollten kranke, gebrechliche oder anderweitig am Wahlsonntag verhinderte Menschen die Chance erhalten, ihr Wahlrecht auszuüben. Bedenken, die Briefwahl verletze das Prinzip der geheimen Wahl - der Wähler ist zu Hause nicht allein in einer Kabine, kann sich die Stimme schlimmstenfalls abkaufen lassen - verwarf das Verfassungsgericht. Seit dem Jahr 2008 muss die Entscheidung für eine Briefwahl nicht mehr begründet werden. Der Anteil der Briefwähler steigt kontinuierlich, bei der letzten Bundestagswahl waren es 28,6, bei der letzten Europawahl 25,3 Prozent, ein Rekord, der nun übertroffen werden könnte. Der Wahlsonntag als Feiertag der Demokratie verliert an Bedeutung. Bundeswahlleiter Georg Thiel kritisiert den Trend: Neben dem Wahlgeheimnis sieht er das Prinzip der Gleichheit der Wahl gefährdet, wenn sich der Wahlzeitraum über mehrere Wochen erstreckt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: