Aktuelles Lexikon:Barrikade

Volkssport in Frankreich: der Bau von Hindernissen gegen die Obrigkeit.

Von Jan Bielicki

Wenn Franzosen der Zorn packt, dann errichten sie offenbar eine Barrikade. Die jungen Leute, die an diesem Wochenende im westfranzösischen Nantes Straßen mit in Brand gesetztem Baumaterial und umgeworfenen Dixi-Klos versperrten, können sich fast schon auf eine Landestradition berufen. Denn auf die Barrikaden gehen die Bürger Frankreichs bereits seit mehr als vierhundert Jahren, immer dann, wenn es gilt, sich der Obrigkeit zu erwehren. Am 9. Mai 1588 schleppten die Pariser Weinfässer - die Barriques - auf die engen Gassen der Hauptstadt, um den Truppen des Königs das Manövrieren zu erschweren. Das Datum firmiert in der französischen Geschichtsschreibung als "Tag der Barrikaden" - es sollten danach noch einige folgen. Die Nation, deren Hymne "Zu den Waffen, Bürger!" ruft, hat ein eher romantisches Verhältnis zur Straßensperre, gebildet vor allem in den Revolutions- und Aufstandsjahren 1830/32. Damals stand die Freiheit mit Trikolore und blanker Brust auf der Barrikade, so jedenfalls auf dem Gemälde von Eugène Delacroix. Und Nationaldichter Victor Hugo ließ in seinem Roman "Die Elenden" einen Revolutionär in Worte fassen, dass eine Barrikade für Aufständische aus mehr besteht als aus aufgetürmten Steinen, Balken und Eisenstangen - nämlich aus "dem Elend und dem Ideal".

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