Innenausschuss zum Fall Edathy:Oppermanns und Zierckes Version

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SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und BKA-Chef Jörg Ziercke beantworten Fragen zu dem Telefonat, das sie über Sebastian Edathy geführt haben - die beiden präsentieren dabei eine Version, die Zweifel aufkommen lässt.

Von Nico Fried, Berlin

Am Donnerstag, den 17. Oktober 2013, ruft Thomas Oppermann, damals noch parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, gegen 15.30 Uhr Jörg Ziercke an, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes. Oppermann teilt Ziercke mit, was SPD-Chef Sigmar Gabriel, der damalige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und er selbst über das Auftauchen des Abgeordneten Sebastian Edathy auf einer Liste von Käufern pädophilen Fotomaterials wissen. Ziercke sagt dazu nichts.

Der Politiker ruft also den Polizisten nicht an, um Antworten auf Fragen zu erhalten, zu denen Ziercke keine Auskunft geben darf, sondern um Antworten auf Fragen zu geben, die Ziercke gar nicht gestellt hat. Das soll man nun glauben. Es ist die Version Zierckes, die er am Mittwoch dem Innenausschuss des Bundestages und danach öffentlich vorträgt. Es ist die Version, die auch Thomas Oppermann präsentiert, als er am späten Nachmittag zu seiner Anhörung in den Ausschuss kommt. Oppermann sagt, er habe sich auf den Verdacht gegen Edathy "keinen Reim" machen können und deshalb Ziercke angerufen, "um die Dinge einordnen zu können".

Es ist aber auch die Version, die beiden Beteiligten juristisch und politisch am wenigsten schadet: Wenn Ziercke nichts gesagt hat, kann er auch kein Geheimnis verraten haben. Und wenn Oppermann nichts gefragt hat, kann er ihn auch nicht zum Geheimnisverrat angestiftet haben. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), bringt schon am Mittwochmittag die naheliegenden Zweifel schnörkellos auf den Punkt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nur angerufen hat, um ihm zu sagen, was er weiß", sagt Bosbach. "Das macht keinen Sinn."

Was Jörg Ziercke im Ausschuss zum Fall Edathy zu berichten weiß, beginnt 2010. Damals seien in Kanada die Kundendateien eines Online-Versandhändlers sichergestellt worden. Im Oktober 2011 habe das BKA die Daten von 800 deutschen Kunden erhalten, von denen 500 strafbares kinderpornografisches Material bestellt hatten. Die anderen 300 erwarben nicht strafbares Material. Dass die Ermittlungen erst im Oktober 2012 begannen, begründet Ziercke heute mit der Auslastung der Behörden durch eine andere Großaktion gegen mehr als 1000 Verdächtige. Dann seien zunächst die Daten der mutmaßlichen Käufer strafbaren Materials untersucht worden. Erst 2013 wurden die Namen der Käufer nicht strafbaren Materials an die Landeskriminalämter weitergeleitet. Darunter der Name Edathy.

Am 15. Oktober 2013 um 15.21 Uhr wird das BKA durch die Rückmeldung der Polizei in Edathys Heimatort Nienburg darüber informiert, dass es sich um den Bundestagsabgeordneten handelt. Einen Tag später unterrichtet Ziercke den Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche. Dazu sei er laut einer ministeriellen Weisung aus dem Jahre 2010 verpflichtet, so Ziercke, wenn ein politischer Bezug bestehe und parlamentarische Konsequenzen eintreten könnten.

Er habe Fritsche "auf die Schwierigkeit der strafrechtlichen Zuordnung" hingewiesen, sagt Ziercke weiter, zugleich aber auch gesagt, dass die Ermittler aufgrund von Erfahrungswerten davon ausgingen, dass die Bezieher pädophilen Materials bisweilen auch pornografisches besitzen könnten. Daraus wird später ein Hinweis von Innenminister Hans-Peter Friedrich an SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass Edathy sich nicht strafbar gemacht habe, strafrechtliche Ermittlungen aber möglich seien.

Nachdem Steinmeier und Oppermann von Gabriel ins Bild gesetzt worden war, rief Oppermann Ziercke an. "Ich war wirklich überrascht", sagt der BKA-Präsident. Ziercke ist bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, es habe sich um eine Kumpanei unter Sozialdemokraten gehandelt. Er habe zuletzt vor "vier, fünf Jahren" Kontakt mit Oppermann gehabt. Einen Vermerk über das Telefonat hat er nicht angefertigt. Er habe das Gespräch nur "aus dem Gedächtnis" rekonstruiert. Nach "allgemeinen Begrüßungsformeln" habe Oppermann ihn über den Kenntnisstand der SPD-Spitze informiert. Man sei dann in "eine Phase des Gesprächs" geraten, "wo Herr Oppermann wohl gemerkt hat, dass ich spürbar angespannt war". Ziercke will gesagt haben, dass er das "nicht kommentieren" werde. Oppermann soll geantwortet haben, er wolle ihn auch nicht in Schwierigkeiten bringen. Drei bis vier Minuten habe das Telefonat gedauert, so Ziercke. Oppermann erzählt das genau so.

Der BKA-Chef räumt ein, dass er in dem Telefonat auch nichts dementiert habe. Gleichwohl habe der SPD-Politiker daraus keine Bestätigung ableiten können. "Das wäre ein Fehlschluss." Oppermann hingegen sagt, obwohl Ziercke geschwiegen habe, sei er zu dem Schluss gekommen, "dass ein Ermittlungsverfahren möglich ist". Die Formulierung in seiner Presseerklärung von vergangener Woche, Ziercke habe ihm den Sachverhalt bestätigt, bedauert Oppermann nun aber.

Vor seiner Anhörung hatte Oppermann angekündigt, "alle Fragen zu beantworten". Nach der Anhörung wird er mehrmals gefragt, ob sein Anruf ein Fehler gewesen sei. Diese Antwort aber bleibt schuldig.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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