Aktionskunst:Kampf um Worte

Aktionskunst: "Sie starben für Deutschlands Unehre", steht auf dem Kriegerdenkmal, nachdem die Künstler W. Kastner und H. Brendl Buchstaben entfernt haben.

"Sie starben für Deutschlands Unehre", steht auf dem Kriegerdenkmal, nachdem die Künstler W. Kastner und H. Brendl Buchstaben entfernt haben.

(Foto: Robert Haas)

Der Künstler Wolfram Kastner steht vor Gericht, weil er ein Krieger-Denkmal nicht unkommentiert stehen lassen will.

Von Bernd Kastner

Starben sie wirklich "für Deutschlands Ruhm und Ehre"? Darf man der Soldaten des Ersten Weltkriegs so gedenken, heute noch? Mit diesen Fragen beschäftigt sich nun schon das zweite Gericht. An der Dachauer Straße in München steht auf einer Wiese vor dem Bundeswehr-Dienstleistungszentrum, gleich neben der Zentrale des Goethe-Instituts, ein Denkmal, das an die bayerischen Eisenbahntruppen erinnert. Errichtet wurde es 1922, zerstört 1945, wiedererrichtet 1962 - von der Bundeswehr.

Nun lebt in München der Aktionskünstler Wolfram Kastner, und der hasst jede Form des Militarismus. Er wollte das Denkmal nicht länger unkommentiert lassen und zog mit einem Kollegen im Februar 2015 fünf der Metall-Buchstaben aus dem steinernen Sockel, das ging ganz leicht. Ein R, ein U, ein H, ein M und ein D. Und so stand da plötzlich: "Sie starben für Deutschlands Unehre." Aus heiterem Himmel kam das nicht. Zuvor hatte Kastner Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeschlagen, das Denkmal mit einem erklärenden Text zu ergänzen. Das aber lehnte Berlin ab mit dem Hinweis, es handle sich um ein "historisches Sachzeugnis". Teile desselben schickte Kastner dann als Päckchen an die Ministerin - die fünf Lettern. Wenig später steckten sie wieder an Ort und Stelle, jetzt ordentlich befestigt. Ein paar Wochen später brachte Kastner eine eigene Denktafel an: "Wir trauern um alle, die im Weltkrieg 1914-1918 ihr Leben verloren."

Das war der Bundeswehr zu viel, sie ließ den Satz demontieren. Weil dabei Kleber zurückblieb, und man den Stein für 448,78 Euro reinigen ließ, wurde Kastner vom Amtsgericht München in erster Instanz der gemeinschädlichen Sachbeschädigung und der Störung der Totenruhe schuldig befunden. Das Urteil ist symbolischer Natur, er wurde nur verwarnt, die Geldstrafe (40 Tagessätze zu zehn Euro) steht unter Vorbehalt. Der Staatsanwaltschaft war das zu wenig, dem Künstler zu viel, beide legten Berufung ein. Deshalb verhandelte am Mittwoch das Landgericht München I aufs Neue.

"Die Toten mahnen uns, mit allen Kräften für Frieden zu sorgen."

Man mag den Satz von "Ruhm und Ehre" als Zeugnis einer längst vergangenen Zeit abtun. Man darf sich aber durchaus fragen, warum die Bundeswehr diesen Satz so tapfer verteidigt. Für ein paar Bürger ist die Sache klar, sie lasen von Kastners öffentlicher Aktion und stellten Strafanzeige: "Dem Denkmal wurde die Würde genommen", empört sich etwa der Vorsitzende des Veteranen- und Kriegervereins Laim 1890/2010. Ein anderer schreibt: "Wo kommen wir da hin, dass jeder nach Gutdünken Denkmäler verändert. (. . .) Wie lange wird es noch dauern, bis die Denkmäler der gefallenen Bundeswehrsoldaten (. . .) geschändet werden und der hilflose Staat zuschaut."

Wolfram Kastner empört sich auch, nur in andere Richtung. Der politische Künstler, 70 Jahre alt, ist seit vielen Jahren bekannt für seine provokanten Aktionen, die meist Kontinuitäten von Militarismus und Nazismus anprangern. Jetzt nennt er im Münchner Justizzentrum den Denkmal-Satz eine "historische Verantwortungslosigkeit", weil die Bundeswehr einen "mörderischen Krieg" heute noch mit Ruhm und Ehre verbinde. Und das, obwohl der Nationalsozialismus die Formulierung mit verbrecherischer Bedeutung aufgeladen habe. Kastner kritisiert, dass der "militaristische Geist von damals noch nicht überwunden" sei.

Mit seiner Aktion habe er zum Nachdenken anregen wollen: "Die Toten mahnen uns, mit allen Kräften für Frieden zu sorgen und Kriege zu verhindern", steht auch noch auf Kastners Trauertafel, die seit zwei Jahren in der Obhut des Standortkommandanten ist. Der Künstler würde sie gerne abholen, aber die Bundeswehr hat ihm verboten, das Areal zu betreten. Das Urteil wird kommende Woche erwartet.

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