Akteure im Gaza-Krieg:Diplomaten, Wahlkämpfer und Hardliner

Die zweite Woche des Gaza-Kriegs hat mit Vermittlungsversuchen begonnen. Die Europäer bemühen sich um Waffenruhe, Israel aber zeigt Härte. Ohne Zutun der arabischen Politiker wird der Krieg nicht beendet werden. Die wichtigsten Akteure im Überblick.

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Olmert, Livni, Barak, AFP, Akteure des Kriegs in Gaza

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Die zweite Woche des Gaza-Kriegs hat mit Vermittlungsversuchen begonnen. Die Europäer bemühen sich um Waffenruhe, Israel aber zeigt Härte. Ohne Zutun der arabischen Politiker wird der Krieg nicht beendet werden. Die wichtigsten Akteure im Überblick.

Kabinett der Kriegsgewinnler

Der Krieg gegen die Hamas im Gaza-Streifen hat zu einer überraschenden Allianz in Israels Regierung geführt. Außenministerin Tzipi Livni ist sich ausnahmsweise einig mit Regierungschef Ehud Olmert. Beide pochen darauf, die Militäroperation fortzusetzen, obwohl die EU und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vor Ort versuchen, eine Waffenruhe zu vermitteln. Olmert und Livni waren sich bis vor kurzem noch feindlich gesinnt. Livni hatte Olmert nach dem gescheiterten Libanon-Krieg und den Korruptionsermittlungen gegen ihn öffentlich mehrmals zum Rücktritt aufgerufen, was er ihr sehr übel nahm. Vier Wochen vor der Neuwahl nun sind sich Livni und Olmert einig, dass der Gaza-Krieg noch nicht beendet werden dürfe. Montagnacht sagte die Außenministerin in einer Talkshow zu der Frage nach einem Waffenstillstand: "Wir unterzeichnen keine Vereinbarung mit den Terroristen von Hamas. Wir bekämpfen Terroristen."

Livni will Regierungschefin werden und gibt sich seit Wochen ungewöhnlich kompromisslos. Sie sieht keinen Sinn darin, den Krieg in Gaza zu stoppen, weil sie fürchtet, Hamas könnte eine Waffenruhe als Sieg verkaufen. Zudem will Livni auch von Wählern des rechten Spektrums gewählt werden. Im Wahlkampf hatten sich Konkurrenzparteien über Livnis mangelnde Armee-Erfahrung lustig gemacht. Ihr kämpferisches Auftreten soll diesen Mangel nun wettmachen.

Olmert wiederum hat nichts zu verlieren. Er wird in vier Wochen aus dem politischen Leben scheiden. Der Waffengang gegen Hamas kommt ihm zum Ende seiner ruhmlosen Amtszeit nicht ungelegen, denn er lenkt von den unappetitlichen Details der zahllosen Korruptions- und Bestechungsvorwürfe ab, die seine Amtszeit überschattet haben. So kann Olmert jetzt seinen Ruf polieren. Nach dem Libanonkrieg hatte ihm eine israelische Untersuchungskommission vorgeworfen, planlos und übereilt den Krieg gegen Hisbollah befohlen zu haben. Der Krieg gegen Hamas nun wird von einer überwältigenden Mehrheit der israelischen Bevölkerung mitgetragen. Olmert schwimmt mit im Strom der Zustimmung und hat auch deshalb keine Eile mit einem Waffenstillstand.

Ausgerechnet der höchstdekorierte General Israels und frühere Armee-Chef Ehud Barak teilt nicht die Auffassung Livnis und Olmerts. Barak sieht zwar mit Genugtuung, dass auch ihm der Krieg gegen Hamas Auftrieb verschafft. Eben noch hatten sich die Medien über seine Arbeitspartei lustig gemacht, die höchstens nur noch zehn der 120 Parlamentssitze erringen werde. Doch inzwischen sind alle voll des Lobes für seine Kriegsführung. Dennoch waren sich Barak und Armee-Chef Gabi Aschkenasi vergangene Woche einig, dass eine Bodenoffensive vermieden werden solle und man einer Waffenruhe eine Chance einräumen müsse. Doch Livni und Olmert überstimmten Barak. (Thorsten Schmitz) Foto: AFP

Mubarak, Akteure im Gaza-Krieg, dpa

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Doppeltes Spiel

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak weiß, dass die Hamas enge Kontakte zu den oppositionellen Muslimbrüdern in Ägypten hat, dass jeder Hamas-Erfolg seine Gegner stärkt. Dass Hamas von den Israelis militärisch zerschlagen werden soll, dürfte dem 80-Jährigen gefallen: Es könnte in Gaza die Rückkehr gemäßigter Palästinenser an die Macht einläuten. Die Katastrophe für die Menschen in Gaza aber ist bedrohlich für den Ex-Kampfpiloten: Die Ägypter laufen Sturm, die anderen arabischen Staaten erwarten von Kairo als Führungsmacht Solidarität mit den leidenden Palästinensern. So spielt Mubarak ein doppeltes Spiel und sitzt dabei zwischen den Stühlen: Er hat einen Friedensvertrag mit Israel, will die Hamas auf ein handhabbares Maß zurückgestutzt sehen und muss - zumindest verbal - die Rechte der Gaza-Palästinenser verteidigen. (Tomas Avenarius) Foto: dpa

Assad, Akteure im Gaza-Krieg, AFP

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Schlüssel zu Frieden

Syriens Staatschef ist der Herbergsvater der Hamas: Die Auslandsvertretung samt dem obersten Hamas-Führer Khaled Meschaal findet sich in Damaskus. Doch Baschar al-Assad, 43, weist alle Aufrufe zurück, die von den USA und der EU als terroristisch eingestufte Hamas auszuweisen. Für den Augenarzt ist die Hamas Faustpfand im Konflikt mit Jerusalem: Solange Israel die 1967 besetzen Golanhöhen nicht zurückgibt, ist jeder Feind Israels ein Freund der Syrer - sei es die Hamas oder die libanesische Hisbollah. Syrien ist für Hamas auch die Verbindung nach Iran. Die engsten Verbündeten der Syrer unterstützen die Hamas finanziell und auch militärisch. Ohne die Vermittlung Syriens ist ein Ende des Palästina-Konflikts und ein Wohlverhalten der Hamas kaum vorstellbar. (Tomas Avenarius) Foto: AFP

EU-Troika, Solana, Schwarzenberg, Ferrero-Waldner, AFP, Gaza-Krieg - die wichtigsten Akteure

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Europas verlegener Auftritt

Das Bild, das Europas Politiker bei ihrem Vermittlungsversuch im Gaza-Krieg abgeben, ist wenig überzeugend. Während Israels Außenministerin Tzipi Livni vor laufenden Kameras eiskalt erklärte, dass der Krieg weitergehe, standen ihre europäischen Kollegen verlegen daneben: Karel Schwarzenberg aus Tschechien, neuer Vorsitzender des EU-Ministerrats, Bernard Kouchner aus Frankreich und der Schwede Carl Bildt sowie EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Schwarzenberg und Ferrero-Waldner sind Teil der "EU-Troika", die offiziell die Außenpolitik der Union vertritt. Zwar dringen sie alle auf eine Waffenruhe. Aber Israel weiß sehr wohl, dass ein Riss durch die EU geht. Deutschland etwa sieht Israel im Recht, andere wie Schweden und Frankreich werfen Jerusalem eine "überzogene" Reaktion auf die Raketen der Hamas vor. Das Hauptproblem der EU-Blitzmission aber war, dass sie sich nicht der stillen Diplomatie bediente, sondern vornehmlich öffentlich präsentierte. Dadurch wurde Javier Solana, der Hohe Beauftragte für die europäische Außenpolitik und Dritter im Bunde der Troika, ausgebootet. Er war zwar Teil der Reisegruppe, fiel aber kaum auf. Dabei ist er der einzige europäische Spitzenpolitiker, der unermüdlich und seit Jahren zwischen Israelis und Palästinensern vermittelt. Solana kennt jeden der Akteure und genießt auf allen Seiten Vertrauen - auch weil er das diskrete Gespräch der öffentlichen Deklaration vorzieht. In der EU weiß man, dass im Nahen Osten nur langer Atem und eine hohe Frustrationstoleranz Erfolge bringen. Dass die EU-Außenminister dennoch darauf verzichteten, Solana allein loszuschicken, hat einen Grund: Der französische Außenminister Kouchner hält, wie sein Chef Nicolas Sarkozy, allein schon das öffentliche Herumreisen in Kriegsgebieten für Krisendiplomatie. (Martin Winter) Foto: AFP

Sarkozy, Gaza-Krieg - die wichtigsten Akteure, Reuters

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Immer im Mittelpunkt

Wer nicht riskiert zu scheitern, lässt sich die Chance des Erfolgs entgehen", sagte Nicolas Sarkozy über seine Mission in Gaza. Obwohl diese kein Ergebnis brachte, genoss Frankreichs Präsident es sichtlich, abermals als Friedensstifter aus Europa aufzutreten - diesmal ohne EU-Auftrag. Auf der Pressekonferenz mit Palästinenser-Präsident Machmud Abbas stand er im Mittelpunkt, nicht die EU-Troika aus Schwarzenberg, Solana und Ferrero-Waldner. Sarkozy profitiert davon, dass er als Freund Israels gilt, aber als einziger westlicher Staatschef hörbar gegen das israelische Vorgehen protestiert hat. Außerdem besteht für ihn ein innenpolitisches Interesse, die Kämpfe zu beenden: Die Stimmung zwischen muslimischen und jüdischen Franzosen heizt sich gefährlich auf. (Rudolph Chimelli) Foto: Reuters

Abbas, Gaza-Krieg - die wichtigsten Akteure, AP

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Machtloser Präsident

Machmud Abbas ist der Ritter von der traurigen Gestalt. Die Fatah-Partei des 73-jährigen Palästinenser-Präsidenten hat die Parlamentswahl gegen die Hamas 2006 verloren, 2007 durch einen Hamas-Putsch sogar die Herrschaft über den Gaza-Streifen. Der von Abbas mitbetriebene Annapolis-Friedensprozess endete ergebnislos; sein eigenes Mandat als Präsident läuft in wenigen Tagen aus. Dennoch behaupten Israel, die USA, die Europäer und die meisten arabischen Staaten, dass ausgerechnet er die Probleme der Palästinenser lösen könne. Bei vielen Palästinensern ist Abbas als Versager abgeschrieben, seine Partei wird als verbraucht und korrupt betrachtet. Der Politologe war früher einer der engsten Gefolgsleute von Jassir Arafat. Er glänzte als Verhandler hinter den Kulissen. (Tomas Avenarius) Foto: AP

Hanija, Akteure im Gaza-Krieg, Getty

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Der Pragmatiker

Im Vergleich zu all den Hardlinern in den Reihen der Hamas zählt Ismail Hanija eher zu den moderateren Hamas-Politikern. Wenige Tage vor den Luftangriffen der Israelis war es der ehemalige palästinensische Ministerpräsident, der durchblicken ließ, über den Waffenstillstand mit Israel doch noch verhandeln zu wollen. Selbst nach Beginn der Angriffe ließ der 46-jährige Hanija, der Literatur studierte und als bescheiden gilt, in einer Neujahrsbotschaft Interesse an Verhandlungen anklingen. Über Hanija heißt es, er verfüge über wenig Kontakte zu den militanten Kräften in der Hamas. Seine Karriere in der radikalislamischen Organisation begann als Bürochef des spirituellen Führers, Scheich Achmed Jassin, der 2004 von der israelischen Rakete getötet wurde. Zuvor verbrachte Hanija einige Jahre in israelischen Gefängnissen. Falls Israel irgendwann umdenkt und doch direkt mit der Hamas sprechen will, wäre Pragmatiker Hanija wohl einer der ersten Verhandlungspartner. (Gökalp Babayigit) Foto: Getty

Meschaal, dpa, Akteure im Gaza-Krieg

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Der rhetorische Kriegstreiber

Lautsprecher in der Ferne: Khalid Meschaal, Chef des Politbüros der Hamas und politischer Sprecher, lebt zwar im Exil in Damaskus, zählt aber dennoch zu den rhetorischen Kriegstreibern der Organisation. Nach Beginn der israelischen Luftangriffe rief der 52-Jährige die dritte Intifada aus und appellierte an alle Palästinenser, sich am gewalttätigen Widerstand zu beteiligen. Der studierte Physiker ist zugleich eine Art Außenminister der Hamas: Er spricht mit Iran, das zu den großen Unterstützern der Terroristenorganisation zählt. Und er spricht mit Ankara, das sich vor Beginn der Krieges noch um Vermittlung zwischen Israel und der Hamas bemüht hatte. (Gökalp Babayigit) Foto: dpa

Sahar, Gaza-Krieg - die wichtigsten Akteure, dpa

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Hardliner der Hamas

Der 63-jährige Kinderchirurg Machmud Sahar ist einer der Mitbegründer und Hardliner der Hamas. Er war bis zum Bruch der gemeinsamen palästinensischen Regierung im Jahr 2006 Außenminister. Als die Fatah-Bewegung von Arafat noch im Gaza-Streifen herrschte, saß Sahar im Gefängnis, wurde gefoltert. Auch Israel nahm ihn in Haft. Zwei seiner Söhne starben durch israelische Waffen: Der eine, als Jets Sahars Haus vor Jahren bombardierten, um den Hamas-Führer zu töten. Der zweite kam vor wenigen Monaten um: Als Militanter, im Gefecht mit israelischen Truppen. In einer Videobotschaft rief er am Montag seine Kämpfer zu weiteren Raketenangriffen auf Israel auf. Angesichts der israelischen Taten sei es legitim, auch israelische Kinder zu töten, sagte Sahar. (Tomas Avenarius) Foto: dpa

Ahmadinedshad, Akteure im Gaza-Krieg, Reuters

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Sponsor im Hintergrund

Die Israelis machen keinen Hehl daraus: Irans Unterstützung für die Hamas ist Jerusalem ein Dorn im Auge. Die Wortwahl von Präsident Schimon Peres verdeutlicht es: Jedwede Übereinkunft über einen Waffenstillstand müsse Garantien enthalten, dass der Gaza-Streifen "nicht zum Satelliten des Iran" werde, indem weiter Waffen in das Gebiet geschmuggelt würden. So zynisch es klingt: Der Krieg in Gaza ist ein wahrer Glücksfall für den angeschlagenen Präsidenten Irans, Mahmud Ahmadinedschad. Im Juni will er sich vom Volk im Amt bestätigen lassen. Die Opposition um den mächtigen Rafsandschani ist ihm bedrohlich nahegekommen. Doch mit der offenen Unterstützung der Hamas rehabilitiert sich Ahmadinedschad wieder - seine Wiederwahl ist trotz sehr angespannter wirtschaftlicher Lage ist wieder ein Stück näher gerückt. Iran nimmt die Rolle als großer Sympathisant der Hamas ernst und bildet so ein Gegengewicht zu den israel-freundlichen Ägyptern. In Teheran kam es auch zu Demonstrationen: Die von der Regierung aufgebotenen Demonstranten protestierten vor der ägyptischen Botschaft. (Gökalp Babayigit) Foto: Reuters

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