Süddeutsche Zeitung

Aktenvernichtung:Nebenkläger im NSU-Prozess fordern Klarheit über "Operation Konfetti"

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Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Als der NSU aufflog, warf ein Referatsleiter des Bundesamts für Verfassungsschutz den Schredder an. Mehrere Akten von ehemaligen V-Männern aus der rechten Szene wurden vernichtet, der Skandal um diese "Operation Konfetti" führte später zum Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm.

Nun könnte die Affäre auch im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München noch zum Thema werden. 30 Anwälte der Nebenkläger stellten am Montag einen umfangreichen Antrag. Darin verlangen sie vom Gericht, die Schredder-Aktion aufzuklären.

Bereits der Untersuchungsausschuss des Bundestags hatte sich lange mit den Vernichtungen beschäftigt. Und das Bundesinnenministerium hatte einen Sonderermittler aus dem eigenen Haus eingesetzt, der am Ende zu dem Ergebnis kam, dass es beim Schreddern nicht darum gegangen sei, Erkenntnisse über den NSU beiseitezuschaffen. Aus Sicht der Anwälte im NSU-Verfahren war der Ermittler jedoch nicht unabhängig.

Zudem konnten mittlerweile Teile der Akten rekonstruiert werden, da im Bundesamt noch in anderen Abteilungen die entsprechenden Dokumente vorhanden waren. Diese Rekonstruktionen liegen dem Gericht allerdings bisher nicht vor. Als der Untersuchungsausschuss sich mit dem Fall befasste, befand sich diese Rekonstruktion ebenfalls noch im Anfangsstadium. Nun dringen die Anwälte der Opferfamilien darauf, dass die Akten zum NSU-Verfahren beigezogen werden.

Die Nebenkläger fordern, auch den damals zuständigen Referatsleiter des Verfassungsschutzes, der später in eine andere Behörde versetzt wurde, als Zeugen vor Gericht zu hören. Die Anwälte werfen den Behörden vor, dass sie die Aufklärung der NSU-Verbrechen durch die Schredderaktionen gezielt behindert hätten. Sie verweisen auf eine Reihe weiterer Aktenvernichtungen in den Bundesländern.

Brisanter Aspekt

Der Rechtsanwalt Sebastian Scharmer spricht von "einem der wichtigsten Anträge des Verfahrens". Der Prozess müsse seiner historischen Dimension gerecht werden und die Wahrheitsfindung auch gegen Blockaden und Vertuschungsversuche der Geheimdienste durchsetzen. Entsprechend umfangreich fiel die Begründung aus, in der sich die Nebenkläger auch auf das Bundesverfassungsgericht und die europäische Rechtsprechung beziehen.

Das Gericht wird eine Weile brauchen, bis es über den Antrag entschieden hat. Es ist nicht damit zu rechnen, dass dies noch vor der sommerlichen Verhandlungspause, die am Mittwoch beginnt und Anfang September endet, geschehen wird. Sollten die Richter dem Antrag folgen, würde dies den NSU-Prozess weiter in die Länge ziehen - und um einen besonders brisanten Aspekt erweitern.

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