Akten im Fall Wulff:21 Nichtigkeiten

"Nichts dran", "keine Anhaltspunkte", "nicht nachvollziehbar". Wie alle Vorwürfe gegen Christian Wulff nach und nach in sich zusammenfielen. Ein Blick in die Akten der Staatsanwaltschaft.

Von Hans Leyendecker

An diesem Montag werden die Anwälte von Christian Wulff den Staatsanwälten klarmachen: Ihr Mandat will vollständig freigesprochen werden vom Vorwurf der Bestechlichkeit. Es ist ein historisches Verfahren, erstmals geht der deutsche Staat gegen ein früheres Staatsoberhaupt vor. Doch nicht nur das Verhalten Wulffs, sondern auch das Vorgehen der Ermittler wirft Fragen auf. Ein Blick in die Akten.

Spurenakte Nr. 1

Einige Zeitungen und ein Tippgeber mit Namen und Adresse hatten behauptet, die ehemalige Gattin Christian Wulffs habe ein Scheinarbeitsverhältnis bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehabt, die Prüfaufträge für das Land Niedersachsen durchführt. Durch das angebliche Scheinarbeitsverhältnis sei die Unterhaltspflicht Wulffs gesenkt worden. Ergebnis: Alle Verdächtigungen waren falsch.

Spurenakte Nr. 2

Im Zusammenhang mit einer Party am 30. Juni 2010 anlässlich der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten in der Berliner Residenz des Netzwerkers Manfred Schmidt, so der Verdacht, gebe es Hinweise auf Korruptionsstraftaten. Das Ergebnis findet sich in einer Verfügung der Staatsanwaltschaft aus den Januar-Tagen 2013: Wulff sollte nicht "angefüttert" werden. Die Besucher sollen vor allem aus Gründen des "Networking" geladen worden sein. Wulff habe nur kurz an der Party teilgenommen.

Spurenakte Nr. 3

Im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs 2008 seien Hotelkosten für Wulff in Stuttgart von dem Veranstalter des Dialogs, Manfred Schmidt, gezahlt worden. Ergebnis: Die Übernachtung war ursprünglich über eine Agentur Schmidts gebucht worden. Die Übernachtungskosten sind, vor allem weil Wulffs Staatskanzlei eine Bezahlung durch den Veranstalter nicht wollte, vom Land Niedersachsen bezahlt worden.

Spurenakte Nr. 4

Im Zusammenhang mit dem Nord-Süd-Dialog 2009 gab es den Verdacht, Wulff habe aus seinem persönlichen Umfeld Gäste eingeladen und bewirten lassen, um dann für sich einen Vorteil zu haben. Ergebnis: lebensfremder Verdacht, nichts dran.

Spurenakte Nr. 5

Die Hochzeit von Bettina und Christian Wulff sei fremdfinanziert worden. Ein Zusammenhang mit dem Verkauf eines Landesforsts an Verantwortliche einer Fabrik wurde vermutet. Ergebnis: nichts dran.

Spurenakte Nr. 6

Zweimal soll Wulff auf Kosten einer Reederei während seines Urlaubs auf Norderney in Begleitung nach Juist beziehungsweise Langeoog und dann zurück geflogen worden sein. Ein Unternehmensvorstand der Reederei flog mit und machte mit Wulff eine Radtour. Ergebnis: für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung zwischen Politiker und Unternehmen keinerlei Beleg.

Wulff und das Näheverhältnis zu Geerkens

Spurenakte Nr.7

An Delegationsreisen Wulffs nach China, Japan und die USA hatte auch sein Freund Egon Geerkens teilgenommen. Der Verdacht war, dass Geerkens im Gegenzug einen Dubai-Urlaub Wulffs bezahlt oder mitfinanziert habe. Ergebnis: Der Verdacht sei "nicht haltbar", notierte ein Staatsanwalt. Wulff und Geerkens hätten ein "enges, persönliches Näheverhältnis".

Spurenakte Nr. 8

Durch den CDU-nahen "Club 2013" wurden Spendengelder für die niedersächsische CDU akquiriert. Der Richtwert für Spenden der Mitglieder lag bei 600 Euro jährlich. Wulff war auch Redner im Club 13. Im Vorjahr kursierte der Verdacht, CDU-Leuten in der Landesregierung seien durch Spenden von Club 2013 Vorteile zugeflossen. Ergebnis: kein strafrechtlicher Zusammenhang. Auch kein Verstoß gegen Strafvorschriften des Parteiengesetzes.

Spurenakte Nr. 9

Es gab den schweren Verdacht, der damalige Ministerpräsident Wulff habe bei der Filmförderung aus dem Wirtschaftsförderfonds einzelne Produzenten - wie etwa David Groenewold - bevorzugt. Die Ermittlungen füllen viele Bände. Ergebnis: "keine Anhaltspunkte" für eine gezielte Förderung einzelner Produzenten.

Spurenakte Nr. 10

Wulffs Freund Groenewold hatte bei einer Übernachtung des damaligen Ministerpräsidenten im Hotel Bayerischer Hof in München die Kosten für einen Aufenthalt eines Personenschützers übernommen. Ergebnis: nichts dran. Das Landeskriminalamt zahlte die Hotelkosten für die Leibwächter.

Spurenakte Nr. 11

Bei Abstechern Wulffs nach Capri soll einer seiner Freunde, der auch Patenonkel des Wulff-Sohnes Linus ist, die Kosten für Boottransfers bezahlt und auch ins Restaurant eingeladen haben. Ergebnis: Vermutlich gab es solche Zuwendungen, es gibt aber keinerlei dienstlichen Bezug.

Urlaube im Hotel Seesteg auf Norderney

Spurenakte Nr. 12

Eine Tippgeberin hatte gemeldet, Niedersachsen sei auffallend häufig in den Jahren zwischen 2003 und 2012 in Ausgaben eines Reisemagazins vorgekommen. Die Herstellungskosten seien nicht durch die Anzeigen zu erwirtschaften. Ergebnis: seltsamer Hinweis.

Spurenakte Nr. 13

Im November 2011 erhielt Wulff als Bundespräsident den mit 10 000 Euro dotierten Leo-Baeck-Preis. Obwohl seine Amtsvorgänger das Preisgeld karitativen Zwecken spendeten, löste Wulff den Scheck auf seinem Konto ein. Die Staatsanwaltschaft prüfte den Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme/Bestechlichkeit oder Untreue/Betrug. Ergebnis: Das Preisgeld sei eher der Amts- als der Privatperson verliehen worden, aber vermutlich sei Wulff gutgläubig gewesen und habe geglaubt, das Preisgeld privat kassieren zu dürfen. Wulff hat die 10.000 Euro inzwischen gespendet.

Spurenakte Nr. 14

Im Zusammenhang mit Übernachtungen von Wulff im Hotel Seesteg auf Norderney gab es den Verdacht, Wulff habe seine Urlaube nicht selbst bezahlt und nicht die Wahrheit gesagt, als er mit dem Fall konfrontiert wurde. Ergebnis: Für Wulffs Darstellung fanden sich viele Belege. Es gebe "keine Erkenntnisse", so die Staatsanwaltschaft, dass die Kosten nicht durch ihn beglichen worden seien.

Spurenakte Nr. 15

Wulff habe das Land Niedersachsen betrogen, weil er sich Hotelkosten in Höhe von 257 Euro habe erstatten lassen, obwohl es keinen dienstlichen Anlass für die Erstattung gegeben habe. Ergebnis: Wulff hatte als Anlass ein Gespräch mit dem Verleger Hubert Burda angegeben, und dieses Gespräch hatte es gegeben.

Spurenakte Nr. 16

Wulff habe sich in verdächtige Nähe zu dem Unternehmer Carsten Maschmeyer begeben. Die Verleihung eines Ehrendoktortitels an Maschmeyer durch die Uni Hildesheim, die Beschaffung von Eintrittskarten für eine CDU-Wahlparty, eine Anzeigenkampagne Maschmeyers für ein Wulff-Buch und ein Urlaub Wulffs im Feriendomizil Maschmeyers auf Mallorca begründeten den Verdacht. Ergebnis: Auf den Ehrendoktor hatte Wulff keinen Einfluss, die Karten seien "Ausdruck des wirtschaftsfreundlichen Politikstils" Wulffs gewesen, schrieben Ermittler; von der Anzeigenkampagne habe Wulff angeblich nichts gewusst. Den Urlaub bei Maschmeyer habe Wulff ebenso bezahlt wie die Flüge nach Mallorca.

Die Nacht im Bayerischen Hof

Spurenakte Nr. 17

Die Akte hat sieben Unterpunkte. Sie beschäftigt sich mit Landesbürgschaften und der Rolle Groenewolds. Die Kriminalermittler meinen, die Indizien für einen Anfangsverdacht hätten sich verdichtet. Die Staatsanwaltschaft meint das nicht.

Spurenakte Nr. 18

Groenewold hat einen Teil der Hotelkosten Wulffs (400 Euro) bei einem Besuch auf dem Oktoberfest 2008 bezahlt. Im Gegenzug habe Wulff drei Monate später an den Siemens-Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher einen Brief geschrieben, um für einen von Groenewold favorisierten Film zu werben. Ergebnis: Das ist der Fall, der den Bestechlichkeitsverdacht tragen soll. Dazu kommen 370 Euro, die angeblich für ein Abendessen, Verzehrmarken fürs Oktoberfest und einen Babysitter ausgegeben wurden. Wulff bestreitet, dass er von der Kostenübernahme wusste. Für den Brief an Löscher führt er auch politische Gründe auf.

Spurenakte Nr. 19

Ein ehemaliger Geschäftspartner von Geerkens formulierte eine ziemlich komplizierte These im Zusammenhang mit einem Darlehen von Geerkens für Wulff. Ergebnis: "nicht nachvollziehbar".

Spurenakte Nr. 20

Geschäftliche Beziehungen zwischen Groenewold und Wulff. Die Theorien und Feststellungen in der Akte korrespondieren zum Teil mit Spur 18.

Spurenakte Nr. 21

In dieser Spur sind die vielen Einladungen von Groenewold an Wulff zusammengefasst. Der Vorgang füllt 173 Blatt und ist im vorigen Monat von einem Kommissar an die Staatsanwaltschaft geschickt worden.

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