CDU-Vorsitz:Der undankbare Job

CDU-Vorsitz: Annegret Kramp-Karrenbauer: Inzwischen sprechen sich sogar 60 Prozent der Unionsanhänger gegen sie als Kanzlerkandidatin aus. Foto: Tobias Schwarz/AFP

Annegret Kramp-Karrenbauer: Inzwischen sprechen sich sogar 60 Prozent der Unionsanhänger gegen sie als Kanzlerkandidatin aus. Foto: Tobias Schwarz/AFP

(Foto: AFP)

Annegret Kramp-Karrenbauer will Kanzlerin werden, aber ihre Chancen werden immer schlechter. Die CDU-Chefin macht zu viele Fehler, Aber auch das Merkel-Erbe wiegt schwer.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

"Ich kann, ich will und ich werde" - mit dieser Kampfansage hat Annegret Kramp-Karrenbauer die bundespolitische Bühne betreten, 16 Monate ist das erst her. Die Saarländerin wurde damals von ihrer Partei wie eine politische Erlöserin gefeiert. "Ich kann, ich will und ich werde", das war der Höhepunkt ihrer Bewerbungsrede für das Amt der Generalsekretärin. 98,9 Prozent der Delegierten stimmten anschließend für sie. Kramp-Karrenbauer, so viel kann man sagen, schlich nicht heimlich nach Berlin, sie marschierte selbstbewusst in die Hauptstadt ein. Im Februar 2018 war das - und doch scheint es bereits eine Geschichte aus einer anderen Zeit zu sein.

Denn Kramp-Karrenbauer ist inzwischen zwar CDU-Chefin geworden. Doch seit Monaten kennt ihr politisches Leben nur noch eine Richtung: nach unten. Das jüngste Politbarometer markiert einen weiteren Tiefpunkt: Sogar 60 Prozent der Unionsanhänger sprechen sich gegen Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin aus. In der CDU zweifelt zwar keiner daran, dass die Vorsitzende immer noch Kanzlerin werden will. Dass sie es aber auch kann und wird - daran glauben immer weniger. Armin Laschet und Friedrich Merz signalisieren längst, dass sie sich die Kandidatur ebenfalls zutrauen.

Mit jedem Fehler, den sie macht, wird Kramp-Karrenbauer noch unsicherer

Kramp-Karrenbauer hat zu ihrem Absturz viel beigetragen. Die Kurskorrektur der CDU-Chefin in der Flüchtlingspolitik war zu plump. Der Umgang mit der "Fridays for Future"-Bewegung war anfangs arrogant, die Reaktion auf den Youtuber Rezo dilettantisch. Kramp-Karrenbauers Antwort auf die europapolitischen Vorschläge des französischen Präsidenten war nicht klug. Ihre personalpolitischen Entscheidungen sind nicht besonders überzeugend. Generalsekretär Paul Ziemiak rangiert auf der Heiner-Geißler-Skala noch ziemlich weit unten. Und Nico Lange, der engste politische Vertraute Kramp-Karrenbauers, ist noch gar nicht Bundesgeschäftsführer, hat aber schon jede Menge Parteifreunde vergrault - unter anderem mit einer Wahlanalyse, in der er die Schuld für den Absturz bei der Europawahl fast überall, aber nicht bei der CDU-Chefin verortete.

Außerdem springt Kramp-Karrenbauer hektisch zwischen zu vielen Themen hin und her. Nur ein Beispiel: Im vergangenen Jahr hat sie sich mit dem Vorschlag einer allgemeinen Dienstpflicht profiliert.

Davon hört man inzwischen nichts mehr. Bei alldem hat man den Eindruck, dass Kramp-Karrenbauer mit jedem Fehler, den sie macht, noch unsicherer wird - und nach jeder Kritik noch dünnhäutiger. Für die CDU-Chefin sind die harten Auseinandersetzungen in der Hauptstadt neu, verglichen mit Berlin geht es in Saarbrücken beschaulich zu. Angela Merkel war fast 15 Jahre in der Bundespolitik, bevor sie Kanzlerin wurde. Kramp-Karrenbauer ist erst wenige Monate in der Hauptstadt. Das merkt man. Womit man aber auch schon bei dem Teil der Kritik an ihr ist, der unfair ist. Denn dass ihre Lage so ungemütlich ist, liegt ja auch an der Kanzlerin und an Friedrich Merz.

Merkel hat die CDU in einem desolaten Zustand übergeben. Die Partei ist programmatisch weitgehend entkernt. Abgesehen von der schwarzen Null sowie dem Verzicht auf Steuererhöhungen und neue Schulden wird kaum noch etwas mit der CDU verbunden. Außerdem hat die Migrationspolitik die Partei tief gespalten und das Verhältnis zwischen CDU und CSU zerrüttet. Kramp-Karrenbauer hat monatelang alle Mühe darauf verwenden müssen, diese Risse zu kitten. Dabei hat sie fast zwangsläufig Wähler in der Mitte verprellt und zu den Grünen getrieben. Und die AfD, der andere groß gewordene Konkurrent der CDU, ist auch nicht erst unter dem Vorsitz Kramp-Karrenbauers in alle deutschen Landtage und den Bundestag eingezogen, sondern in der Ära Merkel.

Die Kanzlerin spricht zwar viel von den digitalen Herausforderungen und - seit Neuestem - auch wieder vom Klimaschutz, bei dem es kein "Pillepalle" mehr geben dürfe. Dass Deutschland beim Netzausbau und beim Klimaschutz kein Vorbild ist, liegt aber an ihrer Regierung, nicht an Kramp-Karrenbauer. Vor diesem Hintergrund sind die nonchalanten Ratschläge, die Merkel ihrer Partei gerade in der Causa Rezo gegeben hat, beinahe dreist. Denn das Video des Youtubers hat der CDU ja vor allem deshalb so weh getan, weil seine Kritik an der Klimaschutzpolitik im Kern richtig war - und nicht, weil Kramp-Karrenbauer nur mit einer PDF-Datei reagiert hat.

Und Friedrich Merz? Der lässt sich zwar immer häufiger in Talkshows einladen und zu Interviews bitten. Im Europawahlkampf hat er seine Partei aber praktisch alleingelassen. Das eint ihn ausnahmsweise mal mit Merkel. Kramp-Karrenbauer hat sich stattdessen in Dutzenden von Veranstaltungen abgerackert.

Kurzum: Dass die CDU-Chefin gerade in Nöten ist, liegt auch an anderen. Wer Kanzlerin werden will, muss mit derlei Unbill aber umgehen können. Und Kramp-Karrenbauer kann das - zumindest bisher - noch nicht.

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