Süddeutsche Zeitung

Akademikerball:Tausende protestieren in Wien gegen Rechtsextremismus

  • Mehr als 8000 Menschen demonstrieren am Freitagabend in Wien gegen Rechtsextremismus.
  • Anlass ist der Akademikerball, der als Treffpunkt von Rechtsextremen und Burschenschaftern bekannt ist - und den auch Vizekanzler Strache besucht.
  • Die Menschen protestieren auch gegen FPÖ-Politiker Landbauer, der trotz eines antisemitischen Liederbuchs seiner Burschenschaft nicht zurücktreten will.

Tausende Menschen haben am Freitagabend in Wien friedlich gegen Rechtsextremismus demonstriert. Anlass war der von der FPÖ ausgerichtete Akademikerball, der als Treffpunkt von Rechtsextremen und Burschenschaftern bekannt ist. Die Polizei zählte etwa 8000 Teilnehmer, die Veranstalter bis zu 10 000.

Zu den befürchteten Ausschreitungen kam es nicht. Die Polizei, die mit 3000 Beamten im Einsatz war, riegelte im Vorfeld einen großen Teil der Wiener Innenstadt für den Ball und die Demos ab. Schon mehrmals sorgte der Akademikerball in der Vergangenheit für heftige Proteste. Der Unmut richtet sich vorwiegend gegen rechte Burschenschafter, die bereits seit 1952 die Veranstaltung ausrichten und prägen. Weiterhin tanzten dort rechtsradikale Politiker aus ganz Europa.

Insgesamt 2 500 Gäste sollen es in diesem Jahr sein - deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Ein Grund dürfte die Regierungsbeteiligung der FPÖ sein. Seit etwa einem Monat regiert die Partei gemeinsam mit der ÖVP.

Diskussion um politische Konsequenzen in der Causa Nazi-Liederbuch

Auch FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache kam als Gast. Er hatte im Vorfeld erklärt, für Antisemiten gebe es weder in der FPÖ noch beim Akademikerball einen Platz. Grund für diese doch klaren Worte ist ein antisemitisches Liederbuch, das Österreich seit Tagen empört. In dem Liederbuch der Burschenschaft "Germania zu Wiener Neustadt" wird die NS-Zeit verherrlicht, wie die Wochenzeitung Falter Anfang der Woche aufdeckte. Stellvertretender Vorsitzender der Burschenschaft war Udo Landbauer, der am Sonntag bei der Landtagswahl in Niederösterreich als Spitzenkandidat der FPÖ antritt.

In einem der Lieder heißt es: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million'". Im Holocaust wurden sechs Millionen Juden ermordet, Ben Gurion war der Staatsgründer und erste Regierungschef Israels.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier nicht namentlich genannte Personen wegen NS-Wiederbetätigung, die in Österreich durch das Verbotsgesetz unter Strafe steht.

Seither wird in Österreich über die politischen Konsequenzen diskutiert - an Rücktritt denken aber weder Udo Landbauer noch seine Partei. Der FPÖ werden in Umfragen für die Landtagswahl in Niederösterreich 16 bis 21 Prozent vorausgesagt. Die Kritik der Demonstranten richtete sich auch an den FPÖ-Spitzenkandidaten, sie forderten seinen Abgang.

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SZ.de/lalse/jael
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