Süddeutsche Zeitung

Akın İpek:Der Medien-Unternehmer, der Erdoğans Zorn auf sich zieht

Seit die Polizei die Zentrale seiner Holding erstürmt hat, ist Akın İpek seinen Job los - vielleicht auch bald seine Firma. Er ist mitten in einen Machtkampf geraten.

Von Luisa Seeling

Um 16.45 Uhr Ortszeit ist Schluss. Stundenlang hat der türkische Sender Bugün TV die Erstürmung seines eigenen Dachkonzerns, der Koza-İpek-Holding, live übertragen. Mittwochnachmittag wird er abgeschaltet. Zwei Tage vorher ist das Unternehmen unter staatliche Aufsicht gestellt worden. Nun ist die Polizei angerückt, um den Gerichtsbefehl zu vollstrecken. Sie drängt protestierende Angestellte zurück und eskortiert die neu ernannten Treuhänder ins Gebäude. Zwangsverwalter des Mischkonzerns wird Ahmet Önal, ehemals Werbechef der Zeitung Sabah, eines Verlautbarungsorgans der regierenden AKP-Partei. Der bisherige Firmenchef, Akın İpek, ist seinen Job bis auf Weiteres los - womöglich auch seine ganze Firma.

1948 gründete Akın İpeks Vater, Ali İpek, das Unternehmen als Druckerei. Der Sohn, 1963 in Adana geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften an einer britischen Uni und in Ankara, bevor er in das Unternehmen einstieg. Fast jeder in der Türkei kennt İpeks kitschige Hochzeitskarten, das Unternehmen ist hier unangefochtener Marktführer. Heute ist aus der Druckerei ein breit aufgestelltes Konglomerat geworden: Koza İpek ist unter anderem im Bergbau und in der Baubranche aktiv - und betreibt eine Reihe von Medien, unter anderem die auflagenstarke Zeitung Bugün, die kleinere Millet und zwei Fernsehsender, Bugün TV und Kanaltürk.

Dass İpek dem Netzwerk des Predigers Gülen anhängt, war lange kein Problem

"Ipek" ist das türkische Wort für Seide. Als Akın İpek in Ankara die Altın-Koza-Universität gründete, die "Goldene Seidenraupen"-Universität, zweifelte niemand daran, dass das eine Anspielung auf die "Goldene Generation" sein sollte, die der islamische Prediger Fethullah Gülen nach eigenem Bekunden heranziehen will.

Dass Akın İpek dem weltweit agierenden Gülen-Netzwerk anhängt, war lange kein Problem. Gülen, der seit 1999 in den USA lebt, und Recep Tayyip Erdoğan, der türkische Präsident, hatten sich gegen das säkular-kemalistische Establishment verbündet. Gülen-nahe Staatsanwälte brachten viele Militärangehörige, aber auch säkulare Oppositionelle vor Gericht, mit oft fadenscheinigen Anklagen. Doch im Dezember 2013 leiteten dieselben Staatsanwälte Korruptionsermittlungen gegen Minister und Personen aus Erdoğans Umfeld ein. Der war verärgert, ließ Hunderte Polizisten und Justizbeamte wegen "Putschversuchs" aus dem Dienst entfernen und blies zur Jagd auf die "parallele Struktur".

Jetzt richtete sich sein Furor gegen Akın İpek und dessen Holding. Die Stürmung des Unternehmens ist nicht nur ein Schlag gegen unliebsame Medien. Es ist auch der vorläufige Höhepunkt eines Machtkampfes, der in der Türkei seit zwei Jahren das konservativ-islamische Lager erschüttert. Um Koza İpek zieht sich die Schlinge schon länger zu: Die Justiz hat dem Konzern erst finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen, inzwischen geht es um angebliche Terrorunterstützung. Akın İpek nennt die Anschuldigungen ein "Fantasieprodukt" und "klare Verleumdung".

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SZ vom 30.10.2015/pamu
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