Süddeutsche Zeitung

Ahmadinedschad bei Chávez-Beerdigung:Wirbel um tröstende Geste

Kritik an Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad: Weil er bei der Trauerfeier für den venezolanischen Staatschef Hugo Chávez dessen Mutter berührte, sehen Kritiker im eigenen Land die Ehre des Amtes verletzt.

Von Johannes Kuhn

Der Trauerbesuch des iranischen Präsidenten in Venezuela hat ein politisches Nachspiel - ausgerechnet wegen einer Geste der Zuneigung. Iranische Konservative reagieren erbost, weil Mahmud Ahmadinedschad auf Fotos bei der gemeinsamen Trauer mit der Mutter des verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu sehen ist.

Zwar umarmt Ahmadinedschad Elena Frias de Chávez nicht, doch die beiden berühren sich an Gesicht und Händen. Nach der strikten Auslegung des muslimischen Glaubens, wie sie die Mullahs in Iran praktizieren, verstößt dies bereits gegen das Berührungsverbot von Mann und Frau, sofern sie nicht verwandt oder verheiratet sind.

"Er hat die Kontrolle verloren", zitiert die britische Zeitung Telegraph Mohammad Taghi Rahbar, der in Irans zweitgrößter Stadt Isfahan die Freitagsgebete leitet. Die Berührung sei "unter der Würde" des Präsidenten:

"Shaking hands with a non-mahram (unrelated by family) woman, under any circumstances, whether young or old, is not allowed. Hugging or expressing emotions is improper for the dignity of the president of a country like the Islamic Republic of Iran."

Ahmadinedschad und der vergangene Woche an Krebs gestorbene Chávez galten als enge politische Verbündete. Die Online-Seite Atlantic Wire beschreibt das Verhältnis als freundschaftlich. So unterstützte Chávez Ahmadinedschad, als 2009 junge Iraner gegen die Regierung auf die Straße gingen.

Beide kritisierten bei öffentlichen Auftritten auch immer wieder die USA und Israel als Vertreter des "politischen Imperialismus". Ahmadinedschad ordnete nach dem Tod einen Trauertag in seinem Land an und küsste bei der Trauerfeier in Caracas am vergangenen Freitag den Sarg des Verstorbenen.

Die Kritik durch die Mullahs ist vor allem innenpolitisch motiviert: Das Verhältnis zwischen der religiösen Führung des Landes und dem konservativen Präsidenten gilt als zerrüttet. Ahmadinedschad darf bei den Präsidentschaftswahlen im Juni nicht mehr antreten und wird wahrscheinlich keinen Vertrauten zum Kandidaten machen können.

Auch das Parlament kritisierte Ahmadinedschad für seine Reise - allerdings aus anderen Gründen. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet:

Ahmadinedschad hatte für die Zeremonie in Caracas am Freitag eine Parlamentssitzung über das kommende Haushaltsbudget im Iran verpasst. "Was ist wichtiger: Tränen für Venezuela zu vergießen oder für sein eigenes Land und die Menschen", fragte der Abgeordnete Gholam-Ali Dschafarsadeh am Sonntag einem Bericht der Nachrichtenagentur Mehr zufolge. Die Abgeordneten wollten, dass Ahmadinedschad ungeklärte Fragen zum Haushalt beantwortet. Das neue Haushaltsjahr im Iran beginnt am 21. März.

Im Netz kursieren unterdessen zahlreiche manipulierte Fotos von Ahmadinedschads Umarmung - unter anderem wurde dort Elena Frias de Chávez durch den ehemaligen Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed el-Baradei, ersetzt.

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