Ahmadinedschad auf Libanon-Besuch:Fähnchen für Mahmud, den Mäzen

Israelische Bomben verwandelten den Südlibanon 2006 in eine Trümmerlandschaft. Iran hat den Wiederaufbau finanziert. Viele Libanesen werden den iranischen Präsidenten bei seinem Besuch als Held feiern.

Tomas Avenarius, Beirut

Ali lehnt vor seinem Laden an der Hauswand. Im Schaufenster reihen sich Handtaschen und Geldbörsen von Hermès und Louis Vuitton. Alles sehr preiswert angeboten, alles in China sehr billig gefälscht.

Iranischer Präident besucht Libanon

Vorbereitungen für den Besuch aus Iran: Viele Libanesen sehen im umstrittenen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad einen Freund und Unterstützer ihres Landes.

(Foto: dpa)

Der libanesische Geschäftsmann schaut versonnen auf den fußballfeldgroßen Platz gegenüber: Dort wird eine Tribüne errichtet, ragen Hunderte Stapel mit Plastikstühlen auf. An den Hauswänden rund um den Rahije-Platz im Süden Beiruts wellen sich auch ein paar riesige Plakate im Nachmittagswind. Sie zeigen die silberbärtig-väterlichen Gesichter der iranischen Revolutions-Ayatollahs Khomeini und Khamenei.

Daneben strahlt das ohnehin immer strahlende Antlitz des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad: Der Mann, der mit seinem merkwürdigen, jugendlich-provokanten Lächeln und seinen noch weit provokanteren Reden im Westen und vor allem in Israel zum meistehassten Nahost-Politiker geworden ist und gern auch als "der Irre aus Teheran" abgetan wird.

Der 36-jährige Libanese Ali sagt: "Wir alle werden Präsident Ahmadinedschad unseren übergroßen Dank zeigen, wenn er hierher zu uns in die Dachije kommt."

Ali erklärt, warum er den Iraner für einen großen Staatsmann hält: "Die USA haben den Israelis die Raketen und Bomben geliefert, mit denen deren Flugzeuge unsere Häuser zerstört haben. Iran und Ahmadinedschad haben uns das Geld geschickt, mit dem wir sie wieder aufbauen konnten."

Die Dachije, die Südstadt von Beirut, ist eine der Hochburgen der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah. Im "Sommerkrieg" zwischen Israel und der Hisbollah 2006 wurde nicht nur der gesamte Südlibanon von israelischen Kampfflugzeugen zur Trümmerlandschaft gebombt, sondern auch Teile der Dachije-Vorstadt: Hier vermuteten die Israelis die logistischen Zentren der Schiiten-Miliz, hier sollte die Anhängerschaft von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah mit tonnenschweren Bomben und einem Hagelsturm aus Raketen zermürbt werden.

Die meisten der damals zusammengestürzten Häuser in der Dachije und im Südlibanon sind längst wieder aufgebaut - dank des nach Kriegsende schnell und fast unbegrenzt geflossenen Geldes aus Teheran. Weshalb der Handtaschenhändler Ali vor seinem Schaufenster mit den falschen Hermès-Utensilien sagt: "Wir schulden Iran, wir schulden Präsident Ahmadinedschad, unseren Dank!"

Hisbollah - gut geölter iranischer Propaganda-Apparat

Die Weltsicht von Ali dürfte sich mit der der meisten Schiiten im Libanon decken. Die libanesischen Schiiten waren die Opfer des israelischen Bombenkriegs 2006 und sie sind diejenigen, die den schiitischen Glaubensbrüdern in Iran für ihre Hilfe von Herzen dankbar sind.

Dass diese Botschaft in Iran und in der Welt auch ankommt, dafür wird die libanesische Schiiten-Partei Hisbollah sorgen: Politisch und militärisch die stärkste Kraft im Libanon und selbst eine Schöpfung Irans, mit der Teheran seit Jahrzehnten strategisch Politik im Libanon macht.

Hisbollah mit seiner einer kleinen Armee gleichenden Miliz hat einen gut geölten und überaus effektiven Propaganda-Apparat. Sie wird den Ahmadinedschad-Besuch zu einem Triumphzug für den Mann aus Teheran werden lassen: Das dient dem persischen Präsidenten, der sich in der islamischen Welt gerne als erster Widerstandskämpfer gegen Israel feiern lässt. Und es dient der Hisbollah, die sich im Libanon derzeit in einem erbitterten und entscheidenden Polit-Gerangel mit der in Teilen noch immer prowestlichen Beiruter Regierung befindet.

Im Hisbollah-Medienzentrum in der Dachije sitzt Ghassan Darwisch, einer der Sprecher der Hisbollah. Darwisch gibt sich staatstragend: In der Büroecke steht die gelbe Kampfflagge der Hisbollah-Miliz mit dem hochgereckten grünen Kalaschnikow-Gewehr darauf, im stummen Ehrendienst vereint mit der weiß-rot-grünen libanesischen Staatsfahne.

Vergleichbar bedeutungsschwer sagt Darwisch, der von seinem Tisch aus auf eine Fotogalerie von den Israelis getöteter Hisbollah-Helden schaut: "Der iranische Präsident Dr. Ahmadinedschad ist Staatschef eines sehr wichtigen und sehr einflussreichen Landes. Er besucht offiziell den Präsidenten des Libanon. Hisbollah organisiert diesen Besuch und sein Programm nicht. Aber wir wollen dazu beitragen, dass das ein Erfolg wird."

Dem zionistischen Feind furchtlos ins Auge geschaut - lesen Sie auf der nächsten Seite, warum der Besuch im Libanon für Mahmud Ahmadinedschad ein Triumphzug werden könnte.

"Wenn Hisbollah die Schiiten im Libanon ruft, kommen sie"

Zu dem geplanten Erfolg ein paar Fakten und Zahlen: Entlang der Beiruter Flughafenstraße werden am Mittwochmorgen Zehntausende libanesischer Schiiten stehen und mit Fähnchen in Richtung von Ahmadinedschads vorbeigleitender Limousine winken. Diesen Empfang am Rande der Dachije hat Hisbollah vorbereitet. "Und wenn Hisbollah die Schiiten im Libanon ruft, dann kommen sie. Und das freiwillig und in größter Zahl", sagt ein libanesischer Beobachter.

Ahmadinedschad wird dann die offiziell-offiziellen Programmpunkte seines Staatsbesuchs absolvieren: Besuch und Essen mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman, Treffen mit Premierminister Saad Al-Hariri, Unterzeichung von Wirtschaftsabkommen, eine Rede vor einer der Beiruter Universitäten, bei der der Doktor der Ingenieurswissenschaften Mahmud Ahmadinedschad möglicherweise neben seinem iranischen noch einen zweiten, einen libanesischen Doktorhut verliehen bekommen wird.

"Dieser Besuch dient vor allem dazu, die Basis des Verhältnisses zwischen Iran und Libanon zu verbreitern", sagt der Politologe Farid Al-Khassem, der in seinem Büro in der Amerikanischen Universität Beirut sitzt. Der Professor will nicht gelten lassen, dass Ahmadinedschads Visite vor allem gut für die Hisbollah ist. "Das ist ein Staatsbesuch. Teheran will seine Beziehungen zu Libanon über die bekannt enge iranische Verbindung zur Hisbollah hinaus erweitern. Dies schließt den libanesischen Staat und die anderen libanesischen Parteien und politische Gruppen ein."

Das klingt gut und wird auch stimmen: Ahmadinedschad soll bilaterale Abkommen zu Wirtschaft und Politik unterzeichnen, Iran will das marode Elektrizitätssystem des Libanon modernisieren, bei der Suche nach Erdgas an der Mittelmeerküste helfen.

Aber dann kommt eben der zweite, der irgendwie doch inoffiziell-offizielle Teil des Besuchs. Den organisiert mehr oder weniger offen die Hisbollah, auch wenn ihr Sprecher Darwisch dies so nicht zugibt. Und dieser Teil der Reise des Persers wird aller Voraussicht nach einen ganz anderen Charakter haben: einen triumphalen. Nach dem ganz normalen Staatsbesuch mit der antretenden Ehrengarde und den Präsidentenessen wird der Heldenempfang in den Hisbollah-Hochburgen in Beirut und im Süden des Landes folgen.

Denn für die Schiiten im Libanon ist Ahmadinedschad ein Held. Ein Helfer. Ein aufrechter Bundesgenosse im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

Hisbollah und ihr Chef Nasrallah werden Sorge tragen, dass diese Botschaft von der länderübergreifenden schiitischen und gesamt-muslimischen Solidarität um die Welt geht: Es ist die Botschaft vom existenziellen Dauerkampf gegen den Agrressor Israel, gegen das "zionistische Gebilde", dass muslimisches Land in Palästina besetzt hält und die heilige islamischen Stätte des Felsendoms in Jerusalem dazu.

Ganz im Sinne der Hisbollah-Parolen, wonach der bewaffnete Widerstand gegen Israel heilige Pflicht ist und nicht enden darf vor der endgültigen Befreiung Palästinas. Und im Sinne des iranischen revolutionsvaters Ayatollah Ruhollah Khomeini, für den Israel "ein Krebsgeschwür" im Nahen Osten war.

All dies zu unterstreichen, dazu dient die Rede, die der iranische Staatschef am Mittwochabend vor Zehntausenden in der Dachije halten wird. Auf dem Rahije-Platz, an dem am Vortag der Handtaschenverkäufer Ali steht.

An der Grenze zum Feindesland

Vor allem aber wird Ahmadinedschad am Donnerstag in den Süden des Landes reisen und damit ganz in die Nähe der immer wieder erbittert umkämpften Grenze zwischen dem Libanon und Israel.

Der Iraner wird Bint Jbeil besuchen, die "Hauptstadt der Märtyrer" und eigentlich nicht mehr als ein verschlafenes südlibanesisches Städtchen, in dem die Hisbollah im Sommerkrieg 2006 besonders erbittert gegen die eindringenden israelischen Bodentruppen gekämpft und das die israelische Luftwaffe dabei fast vollständig in Trümmer gelegt hatte.

Auch nach Kana wird der Präsident reisen, angeblicher Ort eines biblischen Wunders, in dem Jesus Wasser zu Wein wandelte und eines sehr realen Massakers, bei dem die israelische Armee zweitausend Jahre später in zwei verschiedenen Kriegen gleich zweimal ein Blutbad anrichtete unter libanesischen Zivilisten.

Auch hier wird Hisbollah die Menschen zu Zehntausenden auf die Straße bringen, um dem Gast aus Teheran zuzujubeln.

Und so wird Ahmadinedschad am Ende von sich sagen können, dass er - anders als all die anderen muslimischen und arabischen Staatsmänner - dem zionistischen Feind furchtlos quasi ins Weiße des Auges geschaut hat im Südlibanon. Allein dafür lohnt sich dieser offiziell-inoffizielle Staatsbesuch für den iranischen Präsidenten.

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