Agrarpolitik:Minister Unglücklich

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Vor dem Milchgipfel hat er es wieder geschafft: Christian Schmidt von der CSU hat ein Talent, sich Feinde zu machen.

Von Michael Bauchmüller

Vor dem Brandenburger Tor steht die Kuh Cilli und erschrickt über die Fanfare eines Traktors. Heuballen stehen bereit, als Sitzmöbel für eine Art alternativen Milchgipfel, davor Hunderte leere Stiefel - als Symbol dafür, "wie die Bauern aus den Stiefeln kippen", sagt Milchbauern-Präsident Romuald Schaber. Möglich gemacht hat diese Aktion Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Denn zu seinem "Milchgipfel" hat er zwar alle möglichen Verbände eingeladen - nicht aber den "Bundesverband der Milchviehhalter", der vor allem kleinere Betriebe umfasst. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft muss draußen bleiben. Schmidt umgibt sich mit den Großen der Branche: Bauernverband, Handel, Milchindustrie. So macht man sich Feinde - und bedient das Klischee einer Agrarpolitik, die mehr auf Fabriken setzt als auf Bauernhöfe.

Am Herzen liegt ihm eher die Sicherheitspolitik, nicht die Landwirtschaft

Schmidt selber würde so einen Eindruck stets weit von sich weisen, schließlich kommt er, wie Kuh Cilli, aus dem ländlichen Franken. Bauern, die um ihre Existenz kämpfen, trifft er rund ums heimische Obernzenn reichlich. Stattdessen könnte die Gipfel-Konstellation andere, nicht minder unschmeichelhafte Gründe haben: Der Minister Schmidt agiert eben mitunter etwas unglücklich.

Schmidt sei halt, so heißt es selbst in Kreisen der etablierten Landwirtschaft, "ein Bürokrat durch und durch". Er kann sich metertief in die Gesetzeslage einarbeiten, was zuweilen den Blick auf die einfachen Dinge erschwert. Im nächsten Augenblick kann er den Deutschen in grenzenloser Unbefangenheit empfehlen, mehr Äpfel zu essen, um die Auswirkungen russischer Sanktionen auf deutsche Bauern zu mildern. Öffentlich trug er schon den Slogan vor: "An apple a day keeps Putin away", ehe er selbst herzhaft in einen Apfel biss. Es sind solche Botschaften, mit denen Schmidt bislang von sich reden gemacht hat. Nicht alle in der Bundesregierung fanden den Satz so gelungen.

Allerdings ist Schmidt, 58, auch nicht der geborene Agrarminister. Karriere machte der CSU-Mann zunächst im Verteidigungsministerium, dem er acht Jahre lang als Staatssekretär diente. 2013 wechselte er in gleicher Funktion ins Entwicklungsressort, aber nur kurz. Als Anfang 2014 Hans-Peter Friedrich zurücktrat, wurde Schmidt Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Der Sicherheitspolitik aber blieb er treu. Bis heute ist er Präsident der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, die sich der Nato verbunden fühlt.

Die Themen seines Ministeriums sind, zugegeben, unangenehm. Mit dem Umweltministerium streitet er über die Wiederzulassung des Pestizids Glyphosat - kein Thema, mit dem sich viel gewinnen lässt. Und mit dem "Milchgipfel" hat er sich ein Problem ins Haus geholt, zu dessen Lösung ein deutscher Minister allein nur bedingt beitragen kann - weil es eben weit in die ungemütliche Wirklichkeit europäischer Agrarmärkte hineinführt.

Feinde hat er sich damit einstweilen genug gemacht. Zur Demo vor dem Brandenburger Tor ist auch Klaus Vetter angereist, Milchbauer aus Hessen, 120 Kühe. "Schmidt ist eine Marionette von Bauernverband und Industrie", schimpft er. "Die Politik will billige Nahrungsmittel, das ist alles." Schmidt selbst würde sicher widersprechen.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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