Agrar-Ausschuss entscheidet über Zoophilie:Sexueller Kontakt zu Tieren soll bestraft werden

Lange galt das Thema als Mythos, doch es ist klar: Zoophile gibt es, sie sind sogar in einem Verband organisiert und kämpfen dafür, ihre Neigung ausleben zu dürfen. Tierärzte und Politiker zeigen sich entsetzt. Zum Schutz der Tiere soll sexueller Kontakt nun bestraft werden.

Charlotte Theile

Es gibt dieses Foto im Internet, auch in der Bild-Zeitung war es schon abgedruckt. Das Foto zeigt Michael Kiok und seine Partnerin Cessy. Kiok sitzt auf Bahngleisen, schaut ihr in die Augen. Seine Freundin Cessy ist eine achtjährige Schäferhündin.

Michael Kiok, 52 Jahre alt, ist einer von, wie er schätzt, 100.000 Zoophilen in Deutschland. Der Universitäts-Bibliothekar aus Nordrhein-Westfalen fühlt sich sexuell zu Tieren hingezogen.

"Wer sexuelle Handlungen mit Tieren vornimmt, zwingt ihnen artwidriges Verhalten auf." Hans-Michael Goldmann ist Tierschutzexperte der FDP und Vorsitzender des Agrarausschusses des Bundestags. An diesem Mittwoch hat der Ausschuss abschließend über eine Novelle des Tierschutzgesetzes beraten. Unter anderem gab es eine Mehrheit dafür, dass sexuelle Handlungen an Tieren verboten werden sollen, Bußgelder bis 25.000 Euro sind geplant. Darüber hinaus wurde beschlossen, die betäubungslose Kastration von Ferkeln und das betäubungslose Brandzeichen bei Pferden von Ende 2018 an zu verbieten. Im Dezember entscheidet der Bundestag über die Novelle. Die Opposition hat Widerstand angekündigt, das Gesetz gehe nicht weit genug.

Tagelange Treffen auf einem Hof in Norddeutschland

Bisher kann nach dem Gesetz nur verfolgt werden, wer "einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden" zufügt oder ihm länger anhaltende erhebliche Schmerzen zumutet. Sexueller Kontakt mit Tieren als solcher ist bisher nicht strafbar. Der Paragraf 175b, der "widernatürliche Unzucht mit Tieren" unter Strafe stellte, wurde 1969 gestrichen. Paragraf 175, das war der Passus, der auch sexuelle Handlungen unter Männern verbot.

Kiok glaubt, es gehe noch immer um Moral, Unzucht, Intoleranz. Er kennt sich in der Szene gut aus, seit 1995 lebt er seine Neigung offen aus, kennt "etwa 100 Zoophile". Er berichtet von tagelangen Treffen auf einem Hof in Norddeutschland, die für viele "der Höhepunkt des Jahres" waren. Was genau sich dort abgespielt hat, sagt er nicht. Kiok ist Vorsitzender des Verbands Zeta ("Zoophiles Engagement für Toleranz und Aufklärung"). Zur Szene gehören nicht nur Zoophile, die von sich behaupten, Tiere als Lebenspartner zu betrachten und "einvernehmlich", ohne Zwang, mit ihnen zu verkehren. Es gibt auch die sogenannten "Beastys", denen es nur um den sexuellen Kick geht, und es gibt Menschen, die sich selbst als Tiere verkleiden ("Furries"). Alle kamen dort einmal im Jahr zusammen, bis der Vermieter sich weigerte, den Hof weiterhin zur Verfügung zu stellen.

Wenn Kiok davon erzählt, klingt das ganz alltäglich. Nicht nur zu Hunden fühlt er sich hingezogen, auch zu Pferden. "Ich halte mich aber von Pferden fern", sagt er, "die Gefahr, mich zu verlieben, ist einfach zu groß." Früher, erzählt Kiok, habe er "etwas mit einer Stute gehabt". Als Bibliothekar kann sich Kiok keine Pferde leisten. Eine Hündin zu halten, war da naheliegend.

Als Nicola Siemers im Februar das erste Mal mit dem, was früher als Sodomie bezeichnet wurde, in Kontakt kam, war das ein Schock für die Tierärztin. In ihrer Praxis behandelte sie einen Hund, die Verletzungen im Genitalbereich machten sie zunächst nicht misstrauisch - "an so etwas denkt man einfach nicht". Doch dann sah sie die rot lackierten Krallen des Tieres. Sie ist Initiatorin der Petition "Tierärzte gegen Zoophilie und Sodomie", immer wieder hat sie an das Agrarministerium geschrieben, um Menschen wie Michael Kiok "das Handwerk zu legen".

Vieles, was Siemers berichtet, ist schwer zu ertragen, Zoosadismus, also das Quälen von Tieren zum eigenen Lustgewinn, steht im Mittelpunkt ihrer Berichte. Siemers hat Fotos und Videos gesehen, auch einige Bilder an das Agrarministerium von Ilse Aigner geschickt. "Da packt Sie das kalte Grausen." Sie ist wütend, dass die Tiere ihren Herrchen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, dass man nichts machen kann, um die Tiere zu befreien, dass auch offensichtlich verletzte und verstörte Tiere ihren Haltern zurückgegeben werden müssen.

Kontrolle ist teuer

Es seien "böse E-Mails" von Kiok an Siemers geschickt worden, es gab eine Demonstration vor seinem Wohnhaus, Bilder zu Tode gequälter Hunde wurden hochgehalten, Nachbarn informiert. Kiok verletzt das, weil er sich als sensiblen, tierlieben Menschen sieht. Siemers dagegen fällt es schwer, ruhig zu bleiben, wenn Kiok sich in Interviews offen zu seiner Neigung bekennt und fordert, sie weiter ausleben zu dürfen. "Hunde sind nur zweimal im Jahr, für insgesamt etwa acht Tage, aufnahmebereit" erklärt die Tierärztin, "ein geregeltes Ehe-Leben, wie Kiok sich das vorstellt, ist völlig artfremd und schlichtweg falsch für den Hund."

Mit dieser Haltung steht sie nicht allein da. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ist zufrieden, "dass Sodomie nun endlich verboten wird". Das Thema beschäftigt ihn seit 20 Jahren. Wie groß das Problem in Deutschland ist, kann er nicht mit Gewissheit sagen. Das sei für das Gesetz unerheblich. Es gehe ihm um den Schutz des einzelnen gequälten Tieres. Er ist jedoch skeptisch, ob das, was nun beschlossen wurde, wirklich für große Fortschritte sorge. Die Kontrolle durch Veterinäre müssten die Länder finanzieren, das sei aufwendig und teuer. "Die Bundesregierung wäscht sich hier die Hände sauber und schiebt die dreckige Arbeit nach unten ab." Eine Konstante im Tierschutz, wie Schröder sagt.

Tiere sind nicht für sexuellen Kontakt mit Menschen geschaffen

Ohnehin sei die Bundesregierung - und insbesondere die Union - in Sachen Tierschutz alles andere als konsequent. "Es ist noch jahrelang erlaubt, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. In der landwirtschaftlichen Tierhaltung werden weiterhin Qualzucht und Brandzeichen zugelassen. Auch Tierversuche an Menschenaffen bleiben legal." Die großen Fortschritte, die etwa der agrarpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Anschluss an die Entscheidung betonte, sieht er nicht, ganz im Gegenteil. Die Bundesregierung habe in Sachen Tierschutz versagt, sei von Agrar-Lobby und Wissenschaftlern, die Tierversuche unterstützen, massiv beeinflusst worden und hefte sich nun mit dem Verbot der Zoophilie einen Orden an, den sie nicht verdiene.

Diese Argumente liegen nah an dem, was auch Kiok reklamiert: Wenn man in dieser Gesellschaft so grausam mit Tieren umgehen dürfe, sei das Verbot seiner persönlichen Beziehung unverhältnismäßig.

"Wir reden nicht vom Hundeschmuser"

So ähnlich sieht das auch Hani Miletski. Die US-amerikanische Paar- und Sexualtherapeutin ist eine der wenigen, die je zu diesem Thema geforscht haben. In ihrem Buch "Understanding Bestiality and Zoophilia" lässt sie sich sehr weit auf die Argumentation von Zoophilen wie Kiok ein. Das nun beschlossene Verbot in Deutschland hält sie für wenig gerechtfertigt. "Ich persönliche glaube, dass man, bevor man Zoophilie unter Strafe stellt, zunächst einmal das Töten von Tieren verbieten sollte." Die Zoophilen, die sie kenne, seien "gesetzestreue Bürger, die ihre Tiere lieben und alles tun, damit es ihnen gutgeht". Man dürfe Tiere für alles mögliche einsetzen, in der Landwirtschaft, im Zirkus, zum Jagdsport. Nur wenn es um Sex geht, würden die Leute verrücktspielen.

Eine Extremposition. Dass Tiere nicht für sexuellen Kontakt mit Menschen geschaffen sind, bestätigen Tierärzte und Verhaltensbiologen. "Wir reden hier nicht vom Hundeschmuser, der seinen Tieren mal ein Küsschen gibt oder ihm die Ohren krault" stellt FDP-Experte Goldmann klar. Er ist ebenfalls ausgebildeter Tierarzt und überzeugt, dass es der Tierschutz gebiete, Tiere vor solch artwidrigem Verhalten zu schützen.

Das Engagement von Michael Kiok, der sich in einer groß angelegten Kampagne an die Öffentlichkeit gewendet hat, hat das Verbot vermutlich eher herbeigeführt als verhindert. "Ich bin froh, dass er darüber spricht" sagt etwa Tierschutzbund-Präsident Schröder. "So weiß man endlich: Das gibt es wirklich, das ist tatsächlich ein Problem." Lange Jahre sei Sodomie vor allem als gruseliger Mythos, als Gerücht behandelt worden.

Tierbordelle. Bauernhöfe, auf denen man für Geld Sex mit den verschiedensten Gattungen haben kann, dieses erschreckende Bild wurde von Aktivisten wie Nicola Siemers genutzt, um das Thema auf die Agenda zu bringen. In dem Buch "Verschwiegenes Tierleid" von Birgit Schröder, auf das sich Siemers immer wieder bezieht, wurde bereits 2006 vor Zoophilen gewarnt - und vor einer großen und unkontrollierbaren Szene. Drei Prozent der Deutschen, also mehr als zwei Millionen, seien von Zoophilie betroffen, mehr als 500.000 Tiere kämen in Deutschland jährlich "bei exzessiven Sex-Praktiken" um. Tierbordelle gebe es, man müsse nur mal im Internet nachschauen. Hans-Michael Goldmann hält diese These für gewagt bis abwegig. "Wir haben festgestellt, dass das Problem so massiv nicht ist. Anhaltspunkte für Tierbordelle gibt es keine."

Dass das Thema tierschutzrechtlich relevant ist, daran besteht allerdings kein Zweifel. Grausame Bilder, die alles zeigen, was Menschen Tieren in dieser Hinsicht antun können, sind frei im Internet verfügbar. In anderen Ländern, in denen Zoophilie verboten ist, der Schweiz zum Beispiel, sind tatsächliche Anklagen selten. Jost-Dietrich Orth, pensionierter Oberstaatsanwalt, der die Verbotsinitiative unterstützt, sagt, es gehe juristisch vor allem um ein Symbol: "Der Gesetzgeber sagt damit: Das soll nicht sein."

Bis heute war die Rechtslage so: Das Zeigen tierpornografischer Bilder ist verboten, das Herstellen jedoch nicht. Eine seltsame Schieflage, wie auch Juristen befinden. Die Bilder aus dem Netz zu entfernen, war damit fast unmöglich.

Mit dem heutigen Beschluss im Sinne des Tierschutzes ist die Diskussion noch nicht beendet. Michael Kiok hat angekündigt, gegen das Verbot klagen zu wollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: