Süddeutsche Zeitung

Agenten:Wie Geheimdienste mit sensiblen Informationen umgehen

  • Für die Weitergabe von Informationen gibt es bei Geheimdiensten klare Regeln.
  • Traditionell darf der Geheimdienst, der eine Information aufdeckt, entscheiden, wie mit ihr verfahren wird.
  • Sollte der israelische Geheimdienst tatsächlich eine Quelle im Innern des IS haben, könnte Trump sie durch sein Geplauder in Gefahr gebracht haben.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Peter Münch

Geheimdienstler und Journalisten eint manches und trennt vieles. Beide sammeln Nachrichten aus vielfältigen Quellen, die sie - hoffentlich - ordentlich analysieren und einordnen. Der Auftrag der einen kommt vom Staat und dient dessen Interessen. Die anderen wollen - ebenfalls hoffentlich - vor allem den Informationswunsch der Bürger befriedigen. Aber beide eint, dass man nie seine Quelle preisgibt. Unter keinen Umständen. Der Quellenschutz ist heilig.

Wenn Journalisten beispielsweise erfahren, dass Nachrichtendienste von anderen Nachrichtendiensten Material erhalten haben, werden sie in aller Regel von den Geheimdiensten sehr energisch gebeten, darüber nicht zu berichten. Jede Geschichte könnte Quellen gefährden, die Zusammenarbeit torpedieren, alles kaputtmachen. Geheimdienste sind darauf angewiesen, dass sie von anderen Geheimdiensten Informationen erhalten. Wer dabei die Quellen preisgibt, gefährdet möglicherweise sogar das Leben eines Informanten.

Dass US-Präsident Donald Trump, wie amerikanische Medien berichten, eine hochgeheime Information über drohende Anschläge auf Flugzeuge mit in Laptos versteckten Bomben ausgerechnet an den russischen Außenminister Sergej Lawrow weitergegeben haben soll, wäre auch aus Sicht deutscher Nachrichtendienstler sehr ungewöhnlich.

Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hansjörg Geiger, hat sich in einem Rundfunkinterview entsetzt über Trumps Umgang mit Informationen geäußert: "Man wird sich bei verschiedenen Nachrichtendiensten sicher noch mehr überlegen, ob man besonders sensible und wichtige Informationen tatsächlich an die US-Nachrichtendienste weitergeben kann", sagte Geiger im Gespräch mit rbb-Inforadio.

Amerikanische und israelische Dienste arbeiten eng zusammen

Noch gravierender wäre es, wenn Trump mit seinen Informationen eine Quelle in Gefahr gebracht hätte. Angeblich, so wird berichtet, handelt es sich um einen IS-Mann, der so gute Zugänge zu haben scheint, dass er mit den Anschlagsplänen des unter Druck geratenen sogenannten Islamischen Staates vertraut ist. Von einer Quelle im Inneren des IS träumen so ziemlich alle Nachrichtendienste. Sie in Gefahr zu bringen, wäre katastrophal. Dass die US-Dienste überhaupt solche Details erfahren, liegt wohl an der traditionell sehr engen Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel in Geheimdienstfragen. Sie teilen Material, bisweilen auch Zugänge, die sie vor anderen Partnern geheim halten.

In der Welt der Geheimen ist eigentlich alles ganz klar geregelt: Falls die Information aus Israel kam, müsste Israel nach den Regeln der Geheimdienste darüber entscheiden, wann und mit wem sie diese Information teilen wollen und ob sie öffentlich gemacht werden soll. Und bevor Material öffentlich gemacht wird, müssen in aller Regel höchste Regierungsstellen zustimmen. So durfte erst mit der Einwilligung des Kanzleramtes der damalige US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat die - wie sich später herausstellte - frei erfundene Geschichte über angebliche mobile Biowaffen-Labore im Irak präsentieren. Die Information kam vom BND. Die Entscheidung, dass sie - obwohl unbestätigt - verwendet werden durfte, traf damals Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Deutschen wollen die Amerikaner aber gewarnt haben, dass die Quelle als unzuverlässig galt.

Premier Netanjahu schweigt: Er will Trumps Besuch nicht gefährden

Es ist also wirklich ein Geschäft mit festen Regeln. Es wäre an Israel gewesen, die Russen zu informieren - oder eben auch nicht. Trump verteidigt sich damit, es sei sein gutes Recht als US-Präsident dies zu tun. Man darf vermuten, dass dies in Tel Aviv anders gesehen wird.

Tatsächlich ist die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu in einer prekären Lage. Nächste Woche will er Trump zu dessen erstem Besuch in Israel empfangen, es soll ein Fest der Freundschaft werden, Zwistigkeiten kann sich da vorher keiner leisten. Augen zu und durch also: Offiziell wollte niemand zum Vorfall Stellung nehmen, stattdessen kamen Lobeshymnen auf die Geheimdienstzusammenarbeit.

"Tief, bedeutend und beispiellos in ihrem Umfang", twitterte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, sei die Kooperation. "So ist es gewesen, und so wird es bleiben." In Washington leistete der israelische Botschafter Ron Dermer der bedrängten Trump-Truppe sogar aktiv Hilfe. Gegenüber der New York Times versicherte er, Israel habe "volles Vertrauen" in die Geheimdienst-Kooperation.

Ganz anders jedoch reagierten israelische Sicherheitsexperten. Der frühere Mossad-Chef Danny Yatom, der den israelischen Auslandsgeheimdienst Ende der Neunzigerjahre geleitet hatte, sprach von einer "schweren Verletzung" der Geheimdienst-Gepflogenheiten, falls die Berichte zuträfen.

Von Unverständnis, Wut und Sorge in den Sicherheitskreisen berichtet auch das Massenblatt Jedioth Achronoth. Bei einer Weitergabe von Informationen bestehe "große Gefahr für die Quellen, in die Jahre investiert wurden", warnte ein anonym bleibender Geheimdienstler.

Erinnert wird nun wieder daran, dass schon im Januar berichtet worden war, dass US-Geheimdienstler ihre Kollegen in Israel wegen Trumps Verbindungen nach Russland explizit vor einer Kooperation gewarnt hätten, weil sensible Informationen in die falschen Hände geraten könnten.

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SZ vom 18.05.2017/jly
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