Agenda 2010:Wirtschaft kämpft um Schröders Erbe

Lesezeit: 2 min

Nach der Niederlage Vizekanzler Münteferings bei den SPD-Plänen zum Arbeitslosengeld I warnen die wichtigsten Wirtschaftsverbände vor einer "Rolle rückwärts".

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben laut einem Bericht der Bild-Zeitung in einem gemeinsamen Appell an Union und SPD eindringlich vor Korrekturen an der Reform-Agenda 2010 gewarnt. "Der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland ist auch eine Folge der richtigen und wichtigen Reformen der Agenda 2010", zitiert das Blatt aus einem ihr vorliegenden gemeinsamen Schreiben der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

"Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft warnen deshalb davor, einen Teil der Reformen zurückzudrehen." Unterzeichnet ist der Appell dem Bericht zufolge von BDA-Präsident Dieter Hundt, BDI-Präsident Jürgen Thumann, DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun und ZDH-Präsident Otto Kentzler.

Die Verbandschefs beziehen sich in ihrer Warnung unter anderem auf die aktuell diskutierten Änderungen beim Arbeitslosengeld I: "Deutschland darf nicht in eine populistische, rückwärtsgewandte Politik verfallen, während sich der Rest der Welt den notwendigen Veränderungen stellt."

Nach Ansicht der Wirtschaftsverbände ist der Konjunktur-Aufschwung in Deutschland massiv bedroht. "Diejenigen, die in SPD und Union Kernpunkte der Agenda 2010 aufweichen oder zurücknehmen wollen, gefährden den Aufschwung und die gute wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land. Wir rufen SPD und Union eindringlich auf: Keine Rolle rückwärts bei den Reformen! Macht den Aufschwung nicht kaputt!"

"Einigung noch in diesem Jahr"

Gleichzeitig mahnen die Verbandschefs in ihrem Aufruf weitere Reformen an. "Der internationale Wettbewerb geht weiter. Auch bei uns müssen die Reformen mutig und entschieden fortentwickelt und vorangetrieben werden", heißt es laut Bild-Zeitung weiter in dem Schreiben.

Aus der Politik kommen hingegen unterschiedliche Reaktionen auf die von der SPD geplanten Änderungen. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers rechnet mit einer schnellen Verständigung in der Großen Koalition über eine Neuregelung beim Arbeitslosengeld I zugunsten älterer Arbeitsloser.

"Ich bin sicher, dass wir noch in diesem Jahr zu einer Einigung über Änderungen beim Arbeitslosengeld I kommen werden", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident der Financial Times Deutschland zum Vorhaben der SPD-Führung, den Arbeitslosengeldbezug zu verlängern. Die Änderungen müssten aber im System gegenfinanziert werden. Die SPD rechnet dagegen mit Zusatzkosten in Höhe von rund einer Milliarde Euro.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnte seine Partei vor Kompromissen mit der SPD beim Arbeitslosengeld I. Wenn es Spielräume in der Arbeitslosenversicherung gebe, müssten die Beiträge gesenkt werden.

Diesem Ziel müsse alles untergeordnet werden, sagt Oettinger der Wochenzeitung Die Zeit. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei wichtiger, als Programme aufzulegen, die Geld kosteten, aber die Arbeitslosigkeit nur verwalteten.

Seeheimer Kreis hofft auf Kompromiss

Am Dienstag hatten SPD-Parteichef Kurt Beck und Arbeitsminister Franz Müntefering vereinbart, dass nur das von Beck bevorzugte Konzept dem SPD-Parteivorstand und anschließend dem Parteitag in Hamburg vorgelegt werden soll. Das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) erarbeitete Konzept will die Zahlungen an Arbeitslose vom Alter und von den Beschäftigungsjahren abhängig machen.

Arbeitnehmer ab 50 Jahren sollen demnach bei mindestens 36 Monaten vorheriger Beitragszahlung 18 Monate lang Arbeitslosengeld I erhalten, bei 42 Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sogar 24 Monate.

Die Vorstellungen Münteferings, der eine Verlängerung an Fortbildungsmaßnahmen koppeln wollte, sollen hingegen nicht berücksichtigt werden. Obwohl der Arbeitsminister seine Niederlage nach dem Treffen mit Beck eingestanden hatte, hoffte der konservativen Seeheimer Kreis in der SPD dennoch weiter auf einen Kompromiss zwischen Müntefering und Beck.

Sprecher Johannes Kahr sagte der Passauer Neuen Presse , Müntefering habe in der Sache Recht. "Er hat in dieser Frage eine Zweidrittel-Mehrheit in der Bundestagsfraktion", sagte Kahrs.

© sueddeutsche.de/lala/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: