Agenda für die zweite Amtszeit:Was der Präsident jetzt vorhat

Barack Obama hat diese Wahl nicht mit Visionen und Versprechungen gewonnen. Er hat den Gegner in einem schmutzigen Wahlkampf besiegt und wenig über Inhalte gesprochen. Doch was will der wiedergewählte US-Präsident in Zukunft anders machen? Zähmt er wirklich die Banken? Und worauf muss sich Iran einstellen?

Sebastian Gierke

Vorbei. Der US-Wahlkampf, diese gewaltigste aller Politshows, die Zeit der hohlen Phrasen und großen Versprechen, die Zeit, in der die Kandidaten mehr übereinander gesprochen haben als über ihre Pläne für die Zukunft, ist zu Ende.

Barack Obama hat diesen schmutzigen Kampf gewonnen, er bleibt für vier weitere Jahre US-Präsident. Und steht damit vor einer gewaltigen Herausforderung. Denn sobald sich der Pulverdampf des Wahlkampfs verzogen hat, werden wieder die Probleme sichtbar, die der neue und alte Präsident lösen muss, so er denn doch noch als großer US-Präsident in die Geschichte eingehen will.

Viele der Aufgaben, die Obama jetzt zu bewältigen hat, sollten bereits lange erledigt sein. Als Kandidat hatte Obama 2008 mit Blick auf den Klimawandel prognostiziert, sein Sieg werde in die Geschichte eingehen als der Moment, "da sich der Anstieg der Ozeane verlangsamte und der Planet zu heilen begann". Doch nicht nur dieses Versprechen hat Obama in den ersten vier Jahren seiner Präsidentschaft nicht gehalten. Obama hat viel versucht, auch einiges geschafft, aber seine ehrgeizige Agenda blieb Stückwerk.

Deshalb muss er seine zweite Amtszeit damit beginnen, hinter sich selbst aufzuräumen, das zu Ende zu bringen, was er angefangen hat. Tatsächlich bedeutet die Fortsetzung des Alten in Obamas Fall aber nicht Stillstand. Seine Vorhaben für die kommenden vier Jahre sind ambitioniert - gerade weil sie nur wenig Neues bergen. Denn der Präsident hält in vielen Fällen an den Zielen fest, die er bislang nicht erreichen konnte. Er setzt sie, versehen mit einem neuen Mandat, wieder auf die To-do-Liste.

Was passiert also jetzt, da Barack Obama eine zweite Amtszeit bekommt? Wir haben uns angesehen, wie seine Pläne für die verschiedenen Politikfelder ganz konkret aussehen:

Steuern und Finanzen

Obama hat angekündigt, die Ende 2012 auslaufenden Steuersenkungen für die Mittelklasse und Geringverdiener zu verlängern. Dafür sollen diejenigen, die über ein Jahreseinkommen von 250.000 Dollar oder mehr verfügen, zukünftig 39,6 statt bisher 35 Prozent Steuern bezahlen. Auch die Immobiliensteuer soll steigen, von 35 auf 45 Prozent. Die Unternehmensteuer will Obama dagegen von 35 auf 28 Prozent absenken.

So weit die im Wahlkampf verkündeten Pläne. Dass der im Amt bestätigte US-Präsident sie umsetzen kann, erscheint allerdings angesichts von 16 Billionen Dollar Schulden und einem jährlichen Haushaltsdefizit von über einer Billion Dollar mehr als fraglich. Wer soll das bezahlen? Die Steuererhöhungen bringen jedenfalls nicht genug, um Mindereinnahmen durch die Steuersenkung aufzuwiegen. Außerdem werden die Republikaner im Kongress die Steuererhöhungen nicht mittragen. Falls es aber bis Dezember keine Einigung gibt, droht zum Jahreswechsel die sogenannte "fiskalische Klippe" ("fiscal cliff"), es käme zu automatischen Haushaltskürzungen. Die Folgen für die US-Wirtschaft wären verheerend. Wahrscheinlich muss Obama deshalb einen Kompromiss eingehen. Auf einen Spitzensteuersatz von 39,6 Prozent wird er allerdings aller Voraussicht nach bestehen.

Keine grünen Pläne

Und auch die Finanzmarktreform, einer seiner Haupterfolge, bislang nur halbfertig und verwässert umgesetzt, will Obama durchdrücken. Damit sollen der Wall Street Zügel angelegt werden. Die Chancen stehen tatsächlich gut, dass die restlichen 400 Vorschriften für Finanzunternehmen bald in Kraft treten.

Wohin das Geld der Wallstreet fließt

Ein Thema, zu dem sich Obama bislang kaum geäußert hat, ist die Rente. Das amerikanische System steht vor seinem Kollaps, in 20 Jahren sind aller Voraussicht nach die Rücklagen aufgebraucht. Dieses System zu reformieren, wird er zu einem der zentralen Anliegen in den kommenden vier Jahren machen müssen. Auch wenn dieses Vorhaben nicht besonders populär ist, weil es entweder Rentenkürzungen oder eine längere Lebensarbeitszeit bedeuten wird.

Jobs

Die hohe Arbeitslosigkeit wird im Mittelpunkt der ersten 100 Tage nach der Wahl stehen. Obamas Pläne zur Schaffung von Jobs sehen vor, mehr in Infrastruktur zu investieren. Außerdem will der Präsident Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen, Steuererleichterungen gewähren. Obama konzentriert sich damit vor allem darauf, kurzfristig für Erleichterung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Einen Plan, der längerfristig die Probleme löst, hat er bislang noch nicht vorgelegt.

Energiewende

Die Bilanz Obamas beim Thema Energiewende fällt besonders verheerend aus. Er will jedoch noch einmal einen Anlauf starten, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Obama sagte, dass er den Klimawandel zum wichtigsten Thema seiner zweiten Amtszeit machen will. Der Präsident glaubt daran, so seine Berater, dass man bei diesem Thema besonders viel gewinnen kann. Nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt.

Doch ob er diesen Worten diesmal Taten folgen lässt? Er wird wohl die Probleme beim Klimawandel denen am Arbeitsmarkt unterordnen müssen, solange hier keine große Verbesserung eintritt. Und besonders grün sind seine Pläne auch nicht. Bis 2020 will Obama die Öl-Importe halbieren und durch Energie aus der Heimat ersetzen. Er setzt dabei aber nicht allein auf erneuerbare Energie. Von allem ein bisschen, das ist Obamas Strategie: Wind und Sonne, aber auch Atomkraft, Kohle, Öl und vor allem Erdgas. 600.000 Jobs soll die heimische Erdgas-Förderung bringen, verspricht Obama. Vor allem durch das umstrittene Fracking.

Gesundheitsreform

Die Gesundheitsreform ist Obamas bislang größter innenpolitischer Erfolg. Zwei Jahre kämpfte er dafür, brachte den Affordable Care Act schließlich durch den Kongress. Gegen den Widerstand der Republikaner, die die Reform als "Obamacare" schmähten und in ihr eine unzulässige, sozialistische und völlig unamerikanische Einmischung in die Freiheit des Einzelnen sehen. Doch noch ist Obamacare nicht zur Gänze in Kraft getreten. Noch werden zum Beispiel nicht alle der rund 45 Millionen unversicherten Amerikaner in Notaufnahmen versorgt, ohne dafür selbst bezahlen zu müssen. Bis zum Ende der Präsidentschaft Obamas treten noch sieben weitere Bestimmungen der Reform in Kraft. Das zumindest scheint mit seiner Wiederwahl gesichert. Die letzte Bestimmung soll am 1. Januar 2020 wirksam werden. Obama wird vor allem die zweite Hälfte seiner zweiten Regierungszeit darauf verwenden müssen, das von ihm Erreichte so abzusichern, dass es von einem neuen Präsidenten nicht sofort wieder zurückgenommen werden kann.

Außenpolitik

Obama will die weitere Verbreitung von Atomwaffen verhindern. In einer viel beachteten Rede in Prag im Jahr 2009 hatte er das Ziel ausgegeben, "eine Welt ohne Atomwaffen" zu schaffen. Als großer Erfolg seiner ersten Amtszeit gilt die Unterzeichnung des New-START-Abkommens im Jahr 2010. Doch Obama gibt sich damit nicht zufrieden. Anfang 2012 kündigte er neue Gespräche mit Russland über eine weitere atomare Abrüstung an.

Gute Chancen auf ein neues Einwanderungsgesetz

Der letzte US-Soldat soll bis 2014 aus Afghanistan heimkehren. Wie Obama konkret verhindern will, dass das Land wieder Terroristen in die Hände fällt, dazu hat er noch wenig gesagt. Das durch den Afghanistanabzug gesparte Geld soll in den Schuldenabbau gesteckt werden. Außerdem will Obama den Militärhaushalt radikal verkleinern. 500 Milliarden Dollar in zehn Jahren will er hier sparen.

An seiner pragmatischen Außenpolitik wird er festhalten, die jungen Demokratien im Nahen Osten will er stabilisieren. Das Regime in Syrien soll ausgewechselt werden. Obama wird sich, wie er es bereits begonnen hat, verstärkt auf China und den asiatisch-pazifischen Raum konzentrieren.

Doch seine größte außenpolitische Herausforderung wird Iran: Er will einen Krieg vermeiden, setzt auf Wirtschaftssanktionen. Doch was, wenn Iran dennoch im kommenden Jahr kurz vor der Fertigstellung einer Atombombe steht? "Keine Option ist vom Tisch", hat Obama dazu im Wahlkampf gesagt.

Immigration

Eine Einwanderungsreform steht ebenfalls auf dem Programm Obamas. Das allerdings auch schon seit 2008. Hier kann er mit der Unterstützung einiger kompromissbereiter Republikaner im Kongress rechnen. Gemeinsam könnte so ein modernes Einwanderungsgesetz geschaffen werden, das zwölf Millionen illegaler Einwanderer eine Perspektive in den Vereinigten Staaten gäbe. Dann könnte auch Gesetz werden, was seit Sommer 2012 bereits Praxis ist: Ausländer, die als Kinder in die USA kamen, sind aktuell nicht mehr von Abschiebung bedroht, können arbeiten oder studieren. Auch bei der Weiterentwicklung der Entwicklungshilfe für die Dritte Welt will Obama einen neuen Anlauf nehmen.

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