Süddeutsche Zeitung

Afrikanischer Frühling:Das kleine Wunder von Burkina Faso

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Putschisten besiegt: Schon zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hat Burkina Faso eine schwere Krise ohne großes Blutvergießen überstanden - ein Hoffnungsschimmer für Afrika.

Analyse von Isabel Pfaff

Nach mehr als zwei Wochen ist der Spuk wohl endgültig vorüber. Die Putschisten im westafrikanischen Burkina Faso sind besiegt und größtenteils entwaffnet, ihr Anführer, Brigadegeneral Gilbert Diendéré, hat sich gestellt. Übergangspräsident Michel Kafando ist wieder im Amt und kann die Wahlen vorbereiten, die eigentlich am 11. Oktober stattfinden sollten, nun aber verschoben wurden. Der Termin steht noch nicht fest. Auch wenn die Situation labil bleibt: Diese Entwicklung macht über Burkina Faso hinaus Hoffnung.

Dabei sah es noch vor Kurzem gar nicht gut aus für Burkina Faso und sein Demokratie-Experiment. Am 16. September hatten Soldaten der Präsidentengarde (RSP), einer Eliteeinheit der Armee, Präsident und Premier der Übergangsregierung festgenommen und die Staatsführung für abgesetzt erklärt. Als Staatschef ließ sich ausgerechnet Diendéré ausrufen, ein Vertrauter von Ex-Präsident Blaise Compaoré, der im vergangenen Herbst nach 27 Jahren an der Macht aus dem Amt gejagt worden war.

Aktivisten und die Armee beenden den Putsch

Der Putsch kam nicht überraschend. Die 1200 Mann starke RSP war einst die Leibgarde von Compaoré. Sie galt nicht nur als loyal zu ihm, sondern verfügte auch über die beste Ausbildung und Ausrüstung der gesamten Armee, was ihr ein gefährliches Eigenleben ermöglichte. Nach Compaorés Sturz existierte sie weiter und mischte sich wiederholt in die Regierungsgeschäfte ein - insbesondere dann, wenn es um ihr eigenes Schicksal ging. Denn nicht nur die Zivilgesellschaft, auch die Übergangsregierung plante, die RSP aufzulösen. Wenige Tage nachdem eine Regierungskommission wieder einmal ihre Auflösung empfiehlt, kommt es zum Putschversuch.

Gleichzeitig hatte sich vor den Wahlen politischer Frust im Land aufgestaut, denn das neue Wahlgesetz des Landes schließt alle Angehörigen des alten Regimes von politischen Ämtern aus. Viele Beobachter bezeichneten diese Regelung als undemokratisch, und auch der supranationale Gerichtshof der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas erklärte den Passus für ungültig. Doch die Übergangsregierung blieb dabei: Auf den Anfang September veröffentlichten Wahllisten fanden sich keine Politiker des gestürzten Regimes. Ein Grund mehr für die Compaoré-treue RSP, die Regierung absetzen zu wollen.

Doch der Putschversuch währt nicht lange. Schnell treffen vermittelnde Präsidenten aus der Ecowas-Staatengemeinschaft ein; gleichzeitig strömen jene Demokratie-Aktivisten wieder auf die Straße, die im Jahr zuvor den Diktator zum Rücktritt gezwungen hatten. Als dann noch die Armee ihre Truppen aus den Provinzen zusammenzieht und mit einem Angriff droht, geben Diendéré und seine Männer auf.

Ein großes Blutvergießen bleibt aus

Eine Woche nach dem versuchten Staatsstreich wird die Übergangsregierung unter Michel Kafando wieder eingesetzt, kurze Zeit später löst das Kabinett die RSP endgültig auf. Am vergangenen Dienstag wehren sich die letzten Reste der Garde gegen die Entwaffnung, ergeben sich aber dann den Streitkräften.

Nach zähen Verhandlungen stellt sich am Donnerstagabend sogar der Anführer der Putschisten. Diendéré hatte sich in die Botschaft des Vatikan in der Hauptstadt Ouagadougou geflüchtet. Unter der Bedingung, sein Leben zu schützen, übergibt ihn die Botschaft den Behörden.

Mindestens elf Menschenleben hat der Putschversuch gekostet, fast 300 Personen wurden verletzt, nach jetzigem Kenntnisstand stammen alle Opfer aus dem Lager der regierungstreuen Demonstranten. Und doch kann man das Ende dieses vereitelten Staatsstreichs als kleines Wunder bezeichnen. Denn nach ihrem erfolgreichen Volksaufstand im Herbst 2014 haben es die Burkinabé, die Einwohner Burkina Fasos, schon zum zweiten Mal geschafft, eine schwere politische Krise ohne großes Blutvergießen zu überstehen. Nach Angaben des Präsidenten Kafando hat es auch beim Marsch der Armee auf das RSP-Hauptquartier in der Nacht auf Mittwoch keine Toten gegeben.

Der Ex-Präsident ist noch im Hintergrund

Die Regierung will den Verantwortlichen nun den Prozess machen. Eine Amnestie für die Putschisten, wie sie die Ecowas-Vermittler ins Gespräch gebracht haben, scheint vom Tisch zu sein; eine Kommission zur Untersuchung der Putsch-Verbrechen ist bereits eingerichtet.

Ist der "Afrikanische Frühling", wie der burkinische Volksaufstand im vergangenen Herbst bezeichnet wurde, damit gerettet? Andreas Mehler, Westafrika-Experte und Direktor des Freiburger Arnold-Bergsträsser-Instituts, bleibt vorsichtig. "Dass der Putsch abgewendet werden konnte, ist natürlich eine gute Neuigkeit", sagt er. "Aber selbst wenn die Entwaffnung der RSP vollständig gelingt, ist das Compaoré-Lager deshalb noch nicht erledigt." Dass der Ex-Präsident und seine Getreuen zurück an die Macht wollen, daran hat Mehler keine Zweifel. "Ob ihm das gelingt, hängt davon ab, ob er mächtige Verbündete findet, zum Beispiel unter den Staatschefs der Region."

Für den Moment haben die neuen Kräfte im Land also gesiegt. Burkina Faso bleibt zunächst die Wiege eines "Afrikanischen Frühlings", der andere Länder des Kontinents wie den Kongo oder Burundi bereits angesteckt hat. Doch die Netzwerke des alten Regimes sind offenbar noch intakt. Der mit viel Euphorie begonnene Demokratisierungsprozess ist nicht zu Ende.

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