Afrika:Volks-Diamant

Sierra Leone zeigt bei einer Millionen-Auktion ein neues soziales Gewissen.

Von Bernd Dörries

Eine Zentralbank ist normalerweise kein Ort, an dem man mit großem Besucheransturm rechnen muss. Vor der Central Bank von Sierra Leone in Freetown bildeten sich am Mittwoch jedoch lange Schlangen, weil man in deren Tresorraum einen der größten jemals gefundenen Diamanten bewundern kann, noch eine Woche lang, bis er versteigert ist. Der Preis für den 706-Karat-Stein könnte auf bis zu 50 Millionen Dollar klettern.

Das ist die finanzielle Seite. Für Sierra Leone hat der Stein, und vor allem sein Verkaufsprozess, einen ganz anderen Wert. Das Land will zeigen, dass die Zeiten, in denen man sich wegen Diamanten abgeschlachtet hat, endgültig vorbei sind. Mehr als 50 000 Menschen starben zwischen 1991 und 2002 in einem Bürgerkrieg, der entscheiden sollte, wer die Minen im Land beherrscht. Der Stoff schaffte es nach Hollywood: "Blood Diamond" mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle. Das Bild, das von dem Land im Kino gezeichnet worden sei, gehöre der Vergangenheit an, es werde eine faire und transparente Versteigerung geben, sagte Präsident Ernest Bai Korona, der sich schon mit dem Diamanten im Fernsehen zeigte.

Der Stein wirkt eher unscheinbar, mehr wie Bernstein oder ein Klumpen getrocknetes Palmöl. "Deshalb wollten wir ihn schon fast wegwerfen", sagte Pastor Emmanuel Momoh, der in einer kleinen Gemeinde im Osten des Landes nicht von Gott alleine leben kann und deshalb neben Erdnuss-Bauern auch eine kleine Schürf-Mannschaft beschäftigt. Diese fand den Stein vor zwei Wochen. Momoh brachte ihn ohne große Erwartungen zu seinem lokalen Edelsteinhändler, der wie vom Blitz getroffen sofort ein Angebot machte.

Diamanten-Schürfer in Sierra Leone müssen eine Lizenz vorweisen können und dürfen kleine Steine selbst verkaufen. Große müssen der Regierung übergeben werden: Die Erlöse sollen an den Finder gehen, abzüglich einer Steuer. Weil die aber unbestimmt ist und der Willkür der Beamten unterliegt, war in der Vergangenheit kaum ein Stein in die Hände der Regierung gekommen. Alle Schürfer hatten noch den "Star of Sierra Leone"im Gedächtnis, den mit 968,9 Karat viertgrößten Diamanten der Welt, der 1972 an einen New Yorker Händler verkauft wurde. Das Geld verschwand in den Taschen der Regierung. Seitdem bringen die Schürfer und Händler ihre Ware lieber verdeckt außer Landes. Und in den sozialen Netzwerken fragten jetzt nicht wenige Landsleute den Pastor, warum er so dumm gewesen sei, den Stein der Regierung zu geben.

"Wir verstehen, dass es Zweifel gibt, wer von diesem Diamanten profitieren wird", sagte ein Regierungssprecher. "Der Pastor wird seinen Teil bekommen, die Gemeinschaft, auf deren Land er gefunden wurde und auch alle anderen Beteiligten." Letzteres können ziemlich viele sein, bis hinauf zum Präsidenten, der sich als Beteiligter bezeichnen könnte, weil er den Stein bereits in Händen hielt. In einigen Tagen sollen die ersten Gebote abgegeben werden, in einer transparenten Versteigerung, so die Regierung. Dann wird auch Momoh wissen, wie viel ihm bleibt. "Ich beteilige mich gerne am Aufbau meiner Gemeinschaft. Aber ich will in zehn oder fünfzehn Jahren auch kein Bettler sein", sagte der Pastor.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: