Afrika:Neuer Anlauf

Afrika: Außenminister Heiko Maas hat sich bei seiner ersten Afrika-Reise ein grundsätzliches Bild vom Kontinent machen wollen. Beim Stopp in Ouagadougou in Burkina Faso kickte er Bälle mit Schülern.

Außenminister Heiko Maas hat sich bei seiner ersten Afrika-Reise ein grundsätzliches Bild vom Kontinent machen wollen. Beim Stopp in Ouagadougou in Burkina Faso kickte er Bälle mit Schülern.

(Foto: Issouf Sanogo/AFP)

Deutschland will dem Kontinent helfen, nur haben die Ministerien in Berlin bisher recht unterschiedliche Pläne. Bei seiner ersten Afrika-Reise verspricht Außenminister Heiko Maas mehr Effizienz.

Von Bernd Dörries, Ouagadougou

Vor der Pasch-Schule in Ouagadougou stehen etwa 100 Schüler in ihren bunten Uniformen, die den deutschen Außenminister Heiko Maas freundlich und klatschend begrüßen. "Danke für den herzlichen Empfang, das bin ich aus Deutschland gar nicht gewohnt", sagt Maas grinsend. Auch die anschließende Fragerunde der Schüler gestaltet sich freundlich: Maas wird gefragt, wie er heiße und was für Musik er gerne höre, was der Außenmister mit Heiko Maas und Pearl Jam beantwortet, beides auf Deutsch, das an dieser Schule seit zehn Jahren unterrichtet wird. "Es ist wichtig, wenn es viele Menschen gibt, die Deutsch lernen", sagt Maas zum Abschied. "Sie können sich auf unsere Unterstützung verlassen." Die Kinder klatschen und lachen, es werden Fußbälle verteilt, der Außenminister kickt sie mit Lederschuhen über den Platz. Die Kameras klicken, es ist einer jener Politiktermine, für die Afrika eine dankbare Kulisse hergibt, hergeben muss: Spenden werden übergeben, Kinderaugen strahlen.

Es ist der Dienstag vergangener Woche in Ouagadougou, der ersten Station der ersten großen Afrika-Reise des deutschen Außenministers, die ihn nach Sierra Leone, Burkina Faso und Mali führt, zu Bundeswehr-Soldaten im Anti-Terror-Einsatz, zu starken Frauen, die gegen Gewalt kämpfen, und eben den Schülern in Ouagadougou. Maas ist wohl auch gekommen, um sich ein grundsätzliches Bild vom Kontinent zu machen, in seinem Haus werden gerade die Leitlinien der deutschen Afrikapolitik überarbeitet, die in den nächsten Wochen ins Kabinett kommen und dort verabschiedet werden sollen.

Ganze 18 wichtige Politikfelder werden in den Leitlinien bisher beschrieben, von allem ist ein bisschen dabei: Von der Förderung der regionalen Integration und rechtsstaatlicher Strukturen über die Hungerbekämpfung und biologische Vielfalt bis zum Klimaschutz und der Förderung der Kultur. Für sich genommen kann man den Vorhaben schwer wiedersprechen, insgesamt aber bleibt ein Bild des "Viel-hilft-viel". Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

Die Triebfeder der deutschen Afrikapolitik: Migration nach Europa zu verhindern

Zumindest kann sich Afrika in den vergangenen Jahren nicht über mangelnde Aufmerksamkeit in der deutschen Politik beschweren. Was vor allem an der Flüchtlingsfrage liegt, an der von vielen als Bedrohung wahrgenommenen Möglichkeit, dass in den kommenden Jahren Millionen Afrikaner nach Europa aufbrechen. Das zu verhindern und in Afrika Perspektiven und Arbeit zu schaffen, die junge Menschen zum Bleiben bringen sollen, ist Triebfeder der Afrikapolitik. Es sind plötzlich viel Geld und viele Ideen da, die meisten Ministerien in Berlin haben eine eigene Strategie, wie man Afrika helfen kann. Das Bundesfinanzministerium hat ein "Compact with Africa"-Programm aufgelegt, in dem bestimmte Partnerländer besonders unterstützt werden sollen. Das Entwicklungsministerium hat einen Marshall-Plan für Afrika vorgestellt. Das Wirtschaftsministerium hat natürlich auch einen "Pro! Africa"-Plan, das Bildungsministerium eine eigene Afrika-Strategie. Das Verteidigungsministerium betreibt Ausbildungspartnerschaften, und die Staatsministerin für Kultur beschäftigt sich mit der Rückgabe von Raubkunst. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in Günter Nooke zudem einen eigenen Afrika-Beauftragten, der vor allem damit beschäftigt ist, seine kontroversen Auftritte und Interviews zu rechtfertigen. Manchmal liegen all diese Akteure auf einer Linie, manchmal nicht. Das Bundesfinanzministerium will eher den Freihandel fördern, das Entwicklungsministerium den "fairen Handel". Gerd Müller will künftig in manchen korrupten Ländern die Entwicklungszusammenarbeit einstellen. Andere wollen so weitermachen wie bisher. "Wir wollen in dieselbe Richtung gehen und die verschiedenen Strategien zusammenführen", sagt Maas, dessen Haus nicht immer zu hören war in den Afrika-Debatten, obwohl es laut Koalitionsvertrag die Federführung hat in der Koordinierung der Politik für den Kontinent. Und wohl auch gerne wieder etwas mehr an sich reißen würde.

Im Auswärtigen Amt liegt gerade der neue Entwurf für die "Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung" vor, sie sind eine vorsichtige Korrektur der "Viel-hilft-viel"-Strategie der Vergangenheit. Von 17 Seiten sind die Leitlinien auf elf Seiten geschrumpft, statt 18 Schwerpunkten soll es künftig nur noch fünf geben, wichtig sind vor allem: Frieden und Stabilität, Beschäftigung und Fluchtursachenbekämpfung. Nur wer eine Perspektive hat, bleibt auch, darüber sind sich die Akteure der Afrikapolitik schon lange einig, darüber, wie das erreicht werden kann, aber nicht. "Deutsche Afrikapolitik befindet sich weiterhin in diesem Helfermodus. Aber immer weniger ist Hilfe willkommen. Denn trotz Hunderter Milliarden Dollar hat sie Afrikas Entwicklung nicht wirklich vorangebracht", kritisiert Robert Kappel vom Institut für Afrikastudien der Universität Leipzig. In Umfragen unter afrikanischen Existenzgründern landen regelmäßig eine sichere Stromversorgung und günstige Kredite ganz oben auf der Wunschliste. Eine stabile Stromversorgung hat aber kaum ein Land in Subsahara, selbst im industrialisierten Südafrika gibt es immer wieder Stromausfälle.

Das liegt vor allem am Versagen afrikanischer Regierungen, aber auch an der Art der Entwicklungshilfe, die lieber in möglichst vielen Ländern ein paar Brunnen baute, als in einem einzigen Land ein großes Kraftwerk. Auch Deutschland wollte lange überall ein bisschen mitmischen. Deshalb wird in Burkina Faso der Deutschunterricht gefördert, obwohl der Nutzen von Deutsch in dem frankophonen Land überschaubar ist. Deshalb ist die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit mit vielen Milliarden Euro in mehr als 30 Ländern in Subsahara-Afrika aktiv, auch in den übelsten Diktaturen, in denen sich gar nichts ändert.

Viel hilft viel. Das soll nun korrigiert werden, das Entwicklungsministerium prüft den Rückzug aus den hoffnungslosen Ländern, das Auswärtige Amt strafft die Prioritäten, die neuen Leitlinien sind in vielen Bereichen konkreter und lebensnäher. Was sich wirklich ändert, wird sich zeigen. Viele Akteure vor allem in der Entwicklungshilfe haben Routine darin, ihre Projekte nach den jeweiligen politischen Moden umzuetikettieren und sonst alles beim Alten zu lassen. Manches liest sich eben vor allem auf dem Papier gut. "Politische Teilhabe ist eine Grundvoraussetzung, um politische Spannungen zu verhindern, daher wollen wir demokratische Systeme stärken", heißt es im Leitlinien-Entwurf.

Den ersten Praxistest hat das neue Konzept nicht bestanden, die plump gefälschten Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo hat die Bundesregierung noch nicht einmal verurteilt. Das weitere Vorgehen werde mit den Partnern in Europa eng abgestimmt, heißt es seit Wochen. Dann passiert nichts. "Diejenigen, um die es geht, haben mehr davon, wenn Europa sich als Ganzes dazu verhält", sagt Außenminister Maas. Ob das die Menschen im Kongo auch so sehen?

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