Süddeutsche Zeitung

Afrika:Neben der Spur

Mit Chinas Hilfe sollten tolle Bahnprojekte in Äthiopien und Kenia entstehen. Doch bei der Planung wurde einiges übersehen, und so rollt alles nur schleppend an. Züge stehen still, die Einnahmen sind gering - und die Schulden hoch.

Von Bernd Dörries, Addis Abeba

Nichts an dem Häuschen deutet darauf hin, was es hier zu kaufen gibt, was den zwei Verkäufern offensichtlich ganz gelegen kommt. Sie gähnen vor sich hin, Kundschaft ist keine in Sicht. Die potenziellen Kunden stehen ein paar Meter höher auf den Bahnsteigen der Hochbahn, die seit 2015 mitten durch die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba führt - doch auch drei Jahre nach Inbetriebnahme wissen viele Äthiopier nicht, wo man dafür Tickets kaufen kann. Manche wollen es auch lieber nicht wissen, kontrolliert wird ohnehin nicht, die allermeisten fahren schwarz, was der Straßenbahn einen Verlust von 50 Millionen Euro im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr beschert hat.

Dies ist nur eines von vielen Problemen der 34 Kilometer langen Strecke, die ein Symbol für den Aufstieg Äthiopiens sein sollte, für ein Land, das nicht mehr mit Hunger und Armut identifiziert werden wollte. Es will, dass die Stadt als moderne Großstadt wahrgenommen wird.

Nur kam die Bahn bisher nicht so richtig ins Rollen, die Einnahmen sind zu gering, die Strecke ist nicht optimal geplant worden, vor allem aber stehen die meisten Züge still, denn sie sind nach nur drei Jahren schon kaputt. Chinesische Staatskonzerne hatten die Strecke in Rekordzeit gebaut, für eine halbe Milliarde Euro, als Teil der gewaltigen Infrastrukturoffensive auf dem Kontinent. Es gab Beifall von allen Seiten; der chinesische Ansatz schien dem westlichen überlegen zu sein, der nach Jahrzehnten der Entwicklungshilfe oft nicht viel Bleibendes vorzuweisen hatte - während China überall Straßen, Eisenbahnen und Flughäfen baute. Dabei schaute es nicht ganz so genau hin, wie es die jeweiligen Länder mit den Menschenrechten hielten, wie viel Geld durch Korruption versickerte. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe nannten das die beiden Partner.

Die chinesischen Kredite müssen zurückgezahlt werden, ob die Bahn funktioniert oder nicht

Mittlerweile kommen allerdings Zweifel auf, ob die chinesischen Investments wirklich ganz ohne Nebenwirkungen sind. Oft sind sie einfach gut gedacht, aber schlecht gemacht. In Äthiopien ist Peking besonders aktiv, das Land galt lange als der Musterschüler in Afrika, die Regierung imitierte das chinesische Modell einer staatlich gelenkten Planwirtschaft, die regierende Einheitspartei kopierte das Kadersystem. In der Hauptstadt Addis Abeba sind überall chinesische Schriftzeichen zu sehen, die Stadt ist voller äthiopisch-chinesischer Freundschaftsplätze, -straßen und -einkaufszentren.

Mittlerweile fragen sich aber auch die Äthiopier, zu wessen Gunsten diese Freundschaft vor allem ist. Den Äthiopiern wurde eine Straßenbahn minderer Qualität angedreht, China hingegen profitierte doppelt: Chinesische Arbeiter bauten die Strecke, chinesische Kredite finanzierten sie. Die müssen aber zurückgezahlt werden, ob die Bahn funktioniert oder nicht. Ähnliche Probleme gibt es bei der neuen Bahnstrecke von Addis Abeba nach Dschibuti, noch so ein Vorzeigeprojekt, das Äthiopien den Meerzugang sicher sollte. Vier Milliarden Euro wurden für die 759 Kilometer lange Strecke investiert. Die Bahnhöfe sind jedoch so schlecht platziert, weit außerhalb von Stadt und Hafen, dass der Betrieb bis heute nicht wirklich in Gang gekommen ist.

In Kenia haben chinesische Firmen für vier Milliarden Euro eine fast 500 Kilometer lange Strecke von Mombasa nach Nairobi gebaut, auch hier war die Idee eigentlich gut. Der chronisch verstopfte - und ebenfalls von China gebaute - Highway an die Küste sollte entlastet, mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. Auch hier allerdings wurde der Anschluss von Gleis zu Schiff so umständlich gestaltet, dass viele Speditionen die Container weiter auf Lastwagen transportieren. Zumindest das Passagiergeschäft läuft gut, die Züge sind oft ausgebucht - aber weit von der Rentabilität entfernt.

Für Kenia ist das eine ernste Gefahr. Die Strecke hat mehr als zehn Prozent des Staatshaushaltes gekostet. Die Investition sollte die Wirtschaft um zusätzliche 1,5 Prozent pro Jahr wachsen lassen, bisher wachsen aber nur die Schulden. So wie in vielen anderen afrikanischen Ländern, in denen der chinesische Staat investiert. Was für China meist kein Problem ist: Die Schuldner dürfen die Raten auch gerne in Rohstoffen begleichen.

Seit dem Jahr 2000 hat China über die staatlichen Banken mehr als 100 Milliarden Dollar Kredite an afrikanische Staaten vergeben, mehr als die Weltbank. Es ist ein gewaltiges Konjunkturprogramm, etwa 250 000 chinesische Arbeiter sollen in Afrika beschäftigt sein, mehr als 10 000 Firmen sind aktiv, viele davon privat. Es sind Goldgräber, die Afrika nicht nur als einen Kontinent sehen, auf dem man Entwicklungshilfe abwerfen, sondern auch gute Geschäfte machen kann.

Das chinesische Engagement hat schon einige Tradition, Kommunistenchef Mao ließ bereits Ende der Sechzigerjahre eine Eisenbahn von Tansania nach Sambia bauen, ein Höllenwerk, fast 1900 Kilometer lang. Das Projekt wirft bis heute jedoch keinen Gewinn ab, die Linie hat eine andere Spurbreite als die anderen Züge in Tansania. China musste den Kredit von damals abschreiben. In Afrika nennt man das einen "Weißen Elefanten", ein Infrastrukturprojekt, das sich nicht wirklich gelohnt hat.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2018
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