Als alle zwölf afrikanischen Staatschefs und Minister gesprochen haben, tritt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ans Mikrofon und lobt die "großartige Disziplin" der Herren. Zwei Stunden lang hatten deutsche Unternehmer und afrikanische Politiker im Wechsel auf der Bühne gestanden. In einem Konferenzsaal am Fuß des Brandenburger Tors sprach jeder von ihnen über seine Erfolge, dankte der Bundesregierung und schloss nach maximal drei Minuten sein Statement ab, eben genau nach Zeitplan. So etwas kommt gut an in Deutschland.
Sie wolle der Wirtschaft nun doch noch eine konkrete Zahl nennen, sagt Merkel. Denn wegen des Geldes sind sie schließlich alle hierhergekommen, zu diesem Gipfeltreffen der G-20-Initiative "Compact with Africa". Also kündigt Merkel an, Deutschland werde für einen Entwicklungsinvestitionsfonds "bis zu eine Milliarde Euro in dieser Legislatur zur Verfügung stellen". Davon sollen deutsche Firmen profitieren, die in Afrika investieren, und auch afrikanische kleine Unternehmen, die Darlehen brauchen, um ihr Geschäft aufzubauen.
Außerdem, sagt die Kanzlerin, werde man deutsche Privatunternehmen, die es wagen, ihr Geld in den afrikanischen Kontinent zu stecken, künftig besser absichern. Denn von staatlicher Hilfe hin zu privaten Investitionen zu kommen, das sei "moderne Entwicklungspolitik", sagt die Kanzlerin.
Ghana will "nicht mehr Nutznießer von Wohltätigkeit sein"
Bereits unter ihrer G-20-Präsidentschaft im vergangenen Jahr hatten die Industrie- und Schwellenländer versprochen, bei der Anbahnung von Geschäften in afrikanischen Partnerländern zu helfen. Im Gegenzug sollen sich diese auf Reformen einlassen, etwa im Bankensektor, in der Steuerpolitik oder beim Ausbau ihrer Infrastruktur. "Fördern und fordern", sagte Entwicklungsminister Gerd Müller gern, von nichts kommt nichts. Er hat sich deshalb auch sechs "Reformchampions" ausgesucht, die mit Deutschland direkte Partnerschaften aufbauen.
Neben Tunesien, Marokko, der Elfenbeinküste, Äthiopien und Senegal ist zum Beispiel Ghana ein Reformpartner der Regierung. In dem westafrikanischen Staat bemüht man sich um eine bessere Stromversorgung, so die Absprache. Im Gegenzug bekam Ghana 100 Millionen Euro aus Deutschland überwiesen. Der ghanaische Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo sagt in seinen drei Minuten Redezeit: "Wir möchten nicht mehr Nutznießer von Wohltätigkeit sein." Die Ghanaer wollten eigene Entscheidungen treffen und versprechen sich von den ausländischen Firmen Jobs "für die Tausenden arbeitslosen Jugendlichen, die es bei uns gibt".
Tatsächlich ist auf diesem Afrika-Gipfel die Zahl der neu geschaffenen Jobs der Nachweis jedes Unternehmens über die Sinnhaftigkeit seines Investments. So verspricht der Nürnberger Ingenieur Uwe Gauff live auf der Bühne, 300 Dörfer in Senegal mit Strom zu versorgen. 200 Arbeitsplatze würden so geschaffen. Siemens-Vorstand Joe Kaeser ist gleich doppelt zu sehen: Einmal als Redner und dann noch einmal als Protagonist seines eigenen Image-Films. Zu ermunternder Musik gibt er auf einer Leinwand ägyptischen Arbeitern die Hand, die Kamera fliegt über moderne Kraftwerke. Mehr als 5000 Jobs, so lautet das Versprechen. Kaeser lobt die Führungskraft des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi.
Ägypten - eine Autokratie der härteren Sorte
Später am Tag wird al-Sisi auch von Merkel im Kanzleramt empfangen. Zwar gehört Ägypten gar nicht zu den Reformpartnern, die sich das Entwicklungsministerium ausgesucht hat. Es ist bei der Wahl unter anderem an den Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International gebunden, an den Doing Business Index der Weltbank oder den Transformationsindex der Bertelsmann-Stiftung. Laut Bertelsmann ist Ägypten eine Autokratie der härteren Sorte. Trotzdem sei al-Sisi ein wichtiger Partner der Bundesregierung, sagt die Kanzlerin. Er habe "die Seegrenze exzellent abgesichert", erklärt sie Journalisten. Über Ägypten kämen nahezu keine Migranten nach Europa. Außerdem habe sie mit al-Sisi besprochen, wie man das Nachbarland Libyen stabilisieren könne. An den Küsten des Bürgerkriegslandes steigen noch immer viele Afrikaner in Schlauchboote, die in ihrer Heimat keine Jobs finden - auch nicht bei Unternehmen aus Deutschland.
Dass die Wirtschaftsförderung in Afrika eng mit dem Interesse verknüpft ist, Fluchtursachen zu bekämpfen, zeigt auch die prominente Erwähnung der Reformpartnerländer im Masterplan Migration des Innenministers: "Denn von einer erfolgreichen Bewältigung der großen Herausforderungen Afrikas hängt auch die Zukunft Europas ab", heißt es hier. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wirft der Bundesregierung vor, die Märkte machen zu lassen und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Auch die Linke kritisiert, dass Bildung, Gesundheit und Menschenrechte bei der Initiative zu kurz kämen. Die Demonstranten vor dem Kanzleramt sehen das ähnlich. Sie haben al-Sisis Fratze zu einem riesigen Ballon aufgepustet. "Nein zum Diktator-Besuch in Deutschland" steht auf ihren Plakaten.