Einige Experten wie der amerikanische Ökonom William Easterly sehen in Afrika südlich der Sahara sogar einen negativen Zusammenhang zwischen Entwicklungsgeld und Wachstum. Hier kommt es allerdings darauf an, welchen Zeitraum man zugrunde legt. Vergleicht man die Daten der Sechziger- und Siebzigerjahre mit heutigen Daten, kommt man zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass sich die Hilfen pro Kopf in Relation zu den Einkommen etwa verzwölffacht haben, während das Wirtschaftswachstum eher nach unten ging.
Man muss aber auch sehen, dass die Entwicklungstransfers keineswegs so bedeutend sind, wie oft angenommen wird: In Afrika liegt nach den Zahlen der Weltbank von 1960 bis heute der Anteil dieser Zuwendungen nur bei zwei Prozent des kaufkraftgewichteten Volkseinkommens. Die Transferzahlungen Deutschlands für die neuen Bundesländer waren in 20 Aufbaujahren pro Kopf annähernd 100 Mal höher als die Hilfen für Afrika.
Klaus Stocker, 69, emeritierter Professor für Internationale Finanzierung an der Technischen Hochschule Nürnberg, war Projektmanager einer Entwicklungsbank und Berater von Entwicklungsinstitutionen.
(Foto: oh)Angesichts dieser Relationen fragt man sich, ob der Anspruch, die Welt zu retten, nicht ein paar Nummern zu groß ist. Kann man mit Entwicklungsgeld, selbst wenn man die Summen verdoppeln oder verdreifachen würde, tatsächlich weltweit den Klimawandel verhindern, erneuerbare Energien für jedes Dorf bereitstellen, Wohlstand mehren, Frauen emanzipieren, Kinderarbeit verhindern, Handwerk fördern und für Milliarden Menschen all das erreichen, was gut, schön und erstrebenswert ist? Sollten die reichen Staaten hier nicht etwas bescheidener und realistischer sein?
"Wer Afrika wirklich helfen will, darf das nicht mit Geld tun", glaubt der kenianische Ökonom James Shikwati. Der Starökonom Daron Acemoğlu und der Harvard-Politologe James Robinson kommen in ihrem Buch "Warum Nationen scheitern" zu dem Ergebnis, dass Entwicklung nur mit inklusiven Strukturen und nicht in einem Umfeld von Korruption und Vetternwirtschaft möglich ist. Die Forderung nach Inklusion bezieht sich nicht nur auf die oberste Politikebene, sondern vor allem auf Rechtssicherheit, Eigentum, freie Märkte und vor allem darauf, dass den arbeitenden wie auch unternehmerisch tätigen Menschen die Früchte ihrer Anstrengungen zugutekommen müssen.
Verantwortung liegt bei Regierungen der Entwicklungsländer
Wer die Machtverhältnisse besonders in Afrika kennt, der weiß, dass so etwas keine Aufgabe ist, die so einfach mit dem Motto "Fluchtursachen beseitigen" zu erledigen ist. Leider wird Entwicklungspolitik aber vom Westen wie auch neuerdings von China als Instrument benutzt, politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszuüben.
Solange das so ist und solange immer wieder Ausreden gefunden werden, warum man korrupte Regime unterstützen soll, werden die Entwicklungsbemühungen allenfalls bescheidene Erfolge aufzeigen. Diese Erfolge werden aber allein schon durch das immense Bevölkerungswachstum aufgezehrt werden, das im Übrigen eher eine Fluchtursache darstellt als der Klimawandel.
Angesichts der relativ geringen Bedeutung der Entwicklungshilfe im Vergleich zu den Erlösen aus Rohstoffgeschäften und den Überweisungen von Migranten ist es wenig hilfreich, mit dem Finger auf den Westen zu zeigen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat recht, wenn er die Verantwortung vor allem bei den Regierungen und Eliten der Entwicklungsländer sieht.