Sie wollten gerade gemeinsam auf Patrouille gehen: Kämpfer der Separatisten zusammen mit einer regierungsnahen Miliz - wie es das Friedensabkommen von 2015 vorsieht. Doch in Mali herrscht kein Frieden. Kurz bevor die Soldaten aufbrachen, explodierte in dem Militärlager in Gao, Nordmali, ein Fahrzeug. Fast 80 Kämpfer starben, mehr als 100 wurden verletzt. Der Anschlag in der vergangenen Woche war der schlimmste seit Jahren in dem westafrikanischen Land. Und er zeigt in grausamer Klarheit, wo Mali steht.
Fast auf den Tag genau fünf Jahre vor der Attacke nahm die Krise im Norden Malis ihren Anfang. Seither hat sich die Region zu einem der gefährlichsten Krisengebiete Afrikas entwickelt. Eines, in dem inzwischen auch deutsche Soldaten aktiv sind: Seit 2013 beteiligt sich die Bundeswehr an zwei Ausbildungseinsätzen sowie an der UN-Mission Minusma, die die Lage im Land stabilisieren soll. Etwa 12 000 Blauhelme, dazu mehrere Tausend französische Soldaten, die mit ihrer Militäroperation Barkhane Islamisten in Mali und dem gesamten Sahel bekämpfen - eine eindrückliche internationale Präsenz. Und doch ist die Lage heute ungleich komplizierter, teils sogar schlimmer als 2012.
Als die Tuareg-Rebellen vor fünf Jahren blitzartig den gesamten Norden eroberten, schien die Sache noch eindeutig zu sein: Eine Minderheit im Vielvölkerstaat Mali kämpfte gegen die Zentralregierung, von der sie sich diskriminiert fühlte; die Lösung: ein eigener Staat. Azawad nennen die Aufständischen ihr erobertes Gebiet, das sich im Wesentlichen um die Wüstenstädte Gao, Kidal und Timbuktu gruppiert. Die malische Armee musste dem Feldzug der Rebellen hilflos zusehen. Die Aufständischen waren besser ausgerüstet: Der Zusammenbruch Libyens hatte sie - und zahllose andere bewaffnete Gruppen der Region - mit neuen Waffen aus Gaddafis Lagern versorgt.
Mali leidet unter einem hohlen und korrupten Staat
Die malischen Soldaten kompensierten ihre Niederlage mit einem Putsch: Im März 2012 stürzten sie die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré. Sie warfen ihr vor, sie sehenden Auges im Norden ins Verderben geschickt zu haben.
Der Putsch legte offen, worunter Mali eigentlich leidet: unter einem hohlen und korrupten Staat. Unter einer Regierung, die viele Jahre Demokratie vortäuschte und so Entwicklungsgelder an Land zog. Aber sie kümmerte sich nie um funktionierende politische und gesellschaftliche Strukturen im Land, schon gar nicht in den kargen Wüstenlandschaften des Nordens. "Bamakos Politikbetrieb klappte zusammen wie ein Kartenhaus", schrieb die Journalistin und Mali-Kennerin Charlotte Wiedemann über den Putsch. Malis Demokratie, entstanden zu Beginn der Neunzigerjahre, sei eine Fassade gewesen, die dem Volk keine Träne wert gewesen sei.
Doch was auf den Putsch folgte, war nicht besser. Während sich in Bamako eine zivile Übergangsregierung formierte, traten im Norden weitere Akteure auf den Plan. Zu den Tuareg gesellten sich islamistische Kämpfer, die in dem neuen Gefüge ihre Chance sahen. Manche von ihnen kommen aus dem Maghreb, manche sind Malier - doch alle haben wie die Tuareg vom Zerfall Libyens und der Schwäche der malischen Regierung profitiert.