Afrika:Das Christkind bringt Dürre

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Äthiopische Familien tragen Nahrungsmittel nach Hause, die von Hilfsorganisationen verteilt werden. Helfer sprechen von einer "Katastrophe im Anmarsch". (Foto: David R. Kahrmann/AP)

Das Wetterphänomen "El Niño" trifft Afrika hart. Mehr als 20 Millionen Menschen brauchen Hilfe.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Ein spanisches Wort ist seit Wochen in Teilen Afrikas in aller Munde: "El Niño", das globale Wetterphänomen, das sich Ende 2015, dem wärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, so stark zusammengebraut hat wie selten zuvor. Während extreme Niederschläge zuletzt in Kalifornien, Paraguay und Argentinien Überschwemmungen verursachten, leiden weite Teile Afrikas unter einer Rekord-Dürre, deren Folgen sich in den kommenden Monaten noch weiter verschlimmern dürften.

Schon jetzt sind aufgrund schlechter Ernten als Folge der Trockenheit allein im südlichen Afrika 14 Millionen Menschen von Hunger bedroht, schätzt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Auch am Horn von Afrika, das häufig von Dürren heimgesucht wird, spitzt sich die Lage zu: In Äthiopien, dem bevölkerungsmäßig zweitgrößten Land des Kontinents, werden in diesem Jahr mindestens zehn Millionen Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen sein. Geir Olav Lisle, Vize-Generalsekretär der Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC), der kürzlich den Nordosten des Landes bereist hat, sieht dort "eine Katastrophe im Anmarsch". Die bescheidenen Entwicklungs-Erfolge der vergangenen Jahre drohten durch die Dürre zunichte gemacht zu werden.

Die Krise weckt Erinnerungen an das Katastrophenjahr 1984, als am Horn von Afrika mehr als eine Million Menschen an Hunger starben. Doch auch wenn die Trockenheit diesmal ähnlich stark oder noch stärker ausfällt, sind die politischen Umstände, die in den Achtzigerjahren entscheidend zu der Katastrophe beitrugen, anders: Damals lenkte die äthiopische Regierung Geld, das zur Linderung der Not hätten eingesetzt werden können, in den Krieg gegen Separatisten in der nördlichen Provinz Eritrea (die 1993 schließlich unabhängig wurde). Anders als seinerzeit erkennt die Regierung diesmal das Problem grundsätzlich an, auch wenn die offiziellen Zahlen niedriger liegen als die der internationalen Organisationen. Die Regierung hat etwa 180 Millionen Euro für Maßnahmen gegen die Hungerkrise bereitgestellt und zudem an die internationale Gemeinschaft appelliert, dem Land mit verstärkter humanitärer Hilfe beizustehen.

Doch der Bedarf an Hilfsgeld wird aller Voraussicht nach in diesem Jahr weltweit stark wachsen. Mario Zappacosta, für Ostafrika zuständiger Ökonom bei der Welternährungsorganisation (FAO), beschreibt die Lage in Äthiopien als "erschreckend" - allerdings gebe es "so viele weitere Notlagen auf der Welt, und die Geber müssen entscheiden, wo sie ihr Geld hinschicken". Er bezweifle, dass "Äthiopien als Priorität wahrgenommen wird, während gleichzeitig in Syrien, Südsudan, Zentralafrika und in vielen anderen Teilen der Welt Krisen herrschen".

Selbst in Südafrika, im Gegensatz zu Äthiopien nicht gerade als Schauplatz derartiger Krisen bekannt, herrscht Dürre: Laut den Daten der dortigen Wetterbehörde hat es in dem Land 2015 so wenig geregnet wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1904. Südafrika, das ansonsten Mais exportiert, wird 2016 große Mengen des Grundnahrungsmittels einführen müssen. Die Regierung hat fünf der neun Provinzen zu landwirtschaftlichen Katastrophengebieten erklärt. Mehrere Zehntausend Tiere sind bereits verendet; vor allem für viele schwarze Kleinbauern, die ihr Land im Rahmen von Umverteilungsprogrammen nach Ende des Apartheid-Regimes zugeteilt bekommen haben, ist die Dürre schon jetzt existenzbedrohend. Nach Einschätzung von Mandla Buthelezi, Vizepräsident des südafrikanischen Kleinbauernverbandes, könnte es für viele Bauern zwei bis drei Jahrzehnte dauern, um sich von der Dürre zu erholen. "Wir haben unsere Hausaufgaben nicht richtig gemacht", sagte Buthelezi kürzlich der New York Times, "wir waren nicht proaktiv. Jetzt reagieren wir bloß auf die Dürre".

In Südafrika legt die Trockenheit die Versäumnisse der ANC-Regierung offen

Nach Einschätzung von Beobachtern könnten die Folgen der extremen Trockenheit die Regierungspartei ANC viele Wählerstimmen kosten - auch unter Bewohnern der Großstädte wie Johannesburg, wo jetzt deutlich wird, wie sehr die Regierung nötige Investitionen in die Wasser-Infrastruktur vernachlässigt hat. In Teilen des Landes ist der Gebrauch von Leitungswasser schon seit Wochen eingeschränkt; in Kapstadt etwa ist das Bewässern von Gärten nur noch an drei Tagen der Woche und zu bestimmten Tageszeiten erlaubt.

Indes stellen sich die Behörden in Südafrika und anderen Ländern der Region darauf ein, dass sich die Lage in den kommenden Wochen und Monaten weiter verschärfen wird. In Malawi etwa rechnet die Regierung damit, dass bis März etwa drei Millionen Menschen Nahrungsmittelhilfe benötigen werden.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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