Asylrecht:Johnsons umstrittene Abschiebe-Aktion startet mit Problemen

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Briten protestieren am Sonntag vor einem Abschiebezentrum in Gatwick gegen den Plan, Migranten nach Ruanda zu schicken. (Foto: Victoria Jones/dpa)

Die britische Regierung wollte Dutzende Asylsuchende nach Ruanda deportieren. An Bord des Flugzeugs dürfen nun aber nur ganz wenige.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Es werde die Premiere für eine "weltweit führende Migrationspartnerschaft" sein - so hatte es die britische Regierung angekündigt. Am Dienstagabend sollte die erste Maschine von London aus nach Ruanda starten, mit 37 Flüchtlingen an Bord, über deren Asylverfahren dann in Ostafrika entschieden werden soll, nicht in Großbritannien. Etwa 140 Millionen Euro will die Regierung von Boris Johnson dem autoritär regierten Ruanda dafür zahlen, und es könnte noch mehr Geld fließen, je nach Anzahl der deportierten Flüchtlinge. Bis zu 300 im Jahr könnten es werden.

Den Start der umstrittenen Aktion hatte sich Johnson allerdings anders vorgestellt. Auf dem ersten Flug werden höchstens elf Passagiere an Bord sein. Die anderen 26 für die Abschiebung vorgesehenen Menschen konnten ihre Deportation vor Gericht anfechten, in einigen Fällen soll die Regierung die Entscheidung bereits zurückgezogen haben. Unter den verbliebenen elf Personen, die am Dienstag nach Ostafrika geflogen werden sollen, sind vier Iraner, zwei Iraker, zwei Albaner und ein Syrer. Mehrere Flüchtlingsorganisationen und eine Gewerkschaft der Grenzbeamten hatten im Namen der Betroffenen gegen den Plan der britischen Regierung geklagt.

Ein Berufungsgericht urteilte am Montagabend, der Flug könne stattfinden, die Abschiebungen seien zulässig. Wobei es immer um einzelne Fälle geht, somit bleibt unklar, wie viele Menschen am Ende tatsächlich abgeschoben werden dürfen.

Am Freitag hatte bereits ein Richter am High Court entschieden, es bestehe ein "öffentliches Interesse" daran, dass die Regierung ihre Politik umsetzen könne. Er sah keine Beweise dafür, dass Asylbewerber in Ruanda schlecht behandelt werden könnten. Das sehen Menschenrechtsorganisationen anders, sie kritisieren, die britische Regierung wolle sich von der Verpflichtung, Hilfesuchende aufzunehmen, freikaufen.

Britische Boulevardzeitungen berichten schon seit Tagen von den angeblich "luxuriösen" Bedingungen, die in Ruanda auf die Asylbewerber warten: Von Swimmingpools ist die Rede, vermeintliche Hotelbesitzer versprechen den Neuankömmlingen Gratiszigaretten und die beste Zeit ihres Lebens. Schaut man sich die vorgeblichen Unterkünfte genauer an, dann handelt es sich um Herbergen, die in Europa der unteren Mittelklasse entsprechen. Welche Lebensumstände den Abgeschobenen langfristig bevorstehen, ist ohnehin eine andere Frage: Selbst im Falle eines erfolgreichen Asylverfahrens dürfen sie nicht nach Europa zurück, sondern erhalten lediglich das Recht, in Ruanda zu bleiben.

Die Polizei erschoss in Ruanda acht Flüchtlinge

In dem Land eskalieren gerade wieder die Konflikte an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo; mehr als 150 000 Flüchtlinge aus den Nachbarländern sollen sich bereits in Ruanda aufhalten. Die Bedingungen für die Menschen sind oft hart. Als im Jahr 2018 Hunderte Geflüchtete wegen ausbleibender Nahrungsmittelrationen demonstrierten, erschoss die ruandische Polizei acht von ihnen. In einem anderen, mit EU-Mitteln unterstützten Lager für aus libyschen Gefängnissen gerettete Migranten berichteten Insassen über prekäre Verhältnisse und Hoffnungslosigkeit, doch die ruandische Regierung verweigerte unabhängigen Journalisten den Zutritt.

Ruandas Präsident Paul Kagame werden seit Langem die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und zunehmend diktatorische Tendenzen vorgeworfen. Auch die britische Regierung zeigte sich noch im vergangenen Jahr besorgt "angesichts der fortgesetzten Einschränkungen von bürgerlichen und politischen Rechten sowie der Medienfreiheit". Dennoch soll das Abschiebeprogramm aus ihrer Sicht einen Schutz darstellen, vor allem Flüchtlinge vor den Gefahren der Überfahrt über den Ärmelkanal bewahren. Viele benutzen dafür kleine Boote, allein im vergangenen November starben dabei fast 30 Menschen. Menschenrechtsorganisationen sehen in Johnsons Weg hingegen keine Lösung. Sie wollen weiter gegen das Abkommen vorgehen.

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