Schon vor dem Treffen gab es Ärger, Kritiker sprachen von „Verrat“. Am Sonntag und Montag haben Vertreter der Vereinten Nationen und der internationalen Staatengemeinschaft mit Repräsentanten des afghanischen Regimes an einem Tisch gesessen. Die Zusammenkunft in der katarischen Hauptstadt Doha war die dritte von den UN geführte Runde zu Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021. Aber zum ersten Mal waren die Machthaber aus Kabul selbst mit dabei.
Zwar sind die Islamisten nach wie vor weit davon entfernt, diplomatisch im großen Stil anerkannt zu werden, aber es mehren sich die Forderungen, einen pragmatischeren Umgang mit dem Regime zu finden. Denn die afghanische Bevölkerung leidet seit dem westlichen Abzug unter der wirtschaftlichen Not. Und so nutzten die Taliban das Treffen in Doha, um für sich zu werben – trotz aller diplomatischer Differenzen solle die internationale Staatengemeinschaft mit der Regierung in Kabul kooperieren, forderte ein Sprecher des Regimes.
Kritische Stimmen waren nicht willkommen
Unmut hatte dieses Mal auch erregt, dass Vertreterinnen der afghanischen Zivilgesellschaft und Oppositionelle nicht zu den Konsultationen eingeladen worden waren. Die im Exil lebende afghanische Menschenrechtlerin Sima Samar sagte am Montag, die UN und internationale Staatengemeinschaft „billigen mit ihrem Vorgehen das Verhalten der Taliban, vor allem, dass Frauen aus dem öffentlichen Leben verbannt und die Menschenwürde degradiert wird“. Und ein Sprecher des ebenfalls aus dem Exil agierenden Oppositionellen Ahmad Schah Massoud sagte, das Treffen sei „Zeitverschwendung“. Die Taliban seien „eine Terrororganisation, die nur auf Druck reagiert“.
Ein Teilnehmer aus der internationalen Staatengemeinschaft bei dem Treffen in Doha betonte hingegen, „dass die Debatte über Rechte von Frauen und Bildung für Mädchen ein großes Thema war“. Auf der Tagesordnung standen aber vor allem wirtschaftliche Aspekte, der Kampf gegen den Drogenanbau und auch die Frage, wie mit dem eingefrorenen afghanischen Staatsvermögen umgegangen werden soll.
Frauen und Mädchen werden aus dem öffentlichen Leben verbannt
Die Taliban hatten im August 2021 Kabul überrannt, die afghanische Regierung kollabierte, der Westen zog nach einem 20-jährigen Einsatz gedemütigt vom Hindukusch ab. Anfängliche Hoffnungen, die Islamisten würden weltgewandter regieren als während ihrer ersten Schreckensherrschaft in den Jahren 1996–2001 haben sich nicht erfüllt. Die Islamisten setzen wieder darauf, Frauen und Mädchen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Die Rechte der Afghaninnen sind massiv eingeschränkt, Schulbesuche für Mädchen nur bis zum Ende der sechsten Klasse erlaubt, Frauen dürfen nicht mehr alle Berufe ausüben und sollen nur noch in Begleitung eines Mannes reisen. Westliche Kritik an dieser rigorosen Haltung weisen die Taliban als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.
Zwar hat kein Land der Welt das Regime in Kabul offiziell anerkannt, doch gibt es zunehmend Kontakte, unter anderem mit den Regierungen in Peking und Moskau. Auch soll Saudi-Arabien nach Darstellung der Taliban an einer engeren Zusammenarbeit interessiert sein. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatten die UN Gespräche in Doha zu Afghanistan anberaumt, die Taliban aber wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft nicht eingeladen. Im Februar, bei der zweiten Runde, sagten die Taliban selbst ab, weil sie nicht mit anderen afghanischen Gruppen an einem Tisch Platz nehmen wollten.
Dieses Mal kommen die UN ihnen entgegen und haben Treffen mit Aktivistinnen verschoben. „Es ist eine traurige Realität, dass sie die Beziehungen zu den Taliban normalisieren wollen“, sagte Menschenrechtlerin Sima Samar.