Afghanistan:Zurück auf Anfang

Die Taliban wollen zur selben Zeit Frieden und Krieg.

Von Tomas Avenarius

Brutaler könnte der Widerspruch kaum sein: Während die USA in Katar mit den Taliban reden und Washingtons Chefunterhändler optimistisch twittert, dass eine Einigung greifbar sei, überfallen die afghanischen Islamisten zwei Städte im Norden des Landes. Zuerst sprengen sich Selbstmordattentäter in die Luft, dann stürmen Kämpfer Wohnhäuser und Kliniken, es sterben Dutzende Soldaten, Polizisten und Zivilisten. Aber was da in Afghanistan geschieht, ist kein Widerspruch. Es folgt nur der diesen Konflikt kennzeichnenden Logik.

In Kriegen wollen die Gegner vor einem Waffenstillstand öfters noch einmal Gelände gewinnen: Aus einer Position der Stärke heraus verhandelt es sich besser. Vor allem aber, und das ist die afghanische Logik, setzen die Taliban kaum darauf, dass den Treffen in Katar ernsthafte Friedensgespräche mit der vom Westen gestützten Regierung in Kabul folgen werden. Die Taliban wollen, dass alle ausländischen Truppen das Land verlassen - danach sehen sie weiter. Im katarischen Doha wird ja auch nur darüber gesprochen, dass nach fast 18 Jahren ein großer Teil der fast 14 500 US-Soldaten abzieht, denen die anderen internationalen Truppen - darunter das Bundeswehr-Kontingent - zwangsläufig folgen werden. Die Islamisten sollen ihrerseits dafür Sorge tragen, dass das Land nicht wieder zu dem internationalen Terror-Basislager wird, das es vor dem 11. September 2001 für Osama bin Laden und al Qaida gewesen ist.

Natürlich wird in Doha auch festgeschrieben werden, dass es rasch zu innerafghanischen Friedensgesprächen kommen soll. Aber Papier ist in Afghanistan noch weit geduldiger als andernorts: Vieles spricht dafür, dass die Warlords und Milizenführer sowohl auf Seiten der Taliban als auch auf Seiten der aus den unterschiedlichsten Fraktionen zusammengewürfelten Regierung sich längst für die nächste Runde im Bürgerkrieg rüsten. Schon deshalb ist es Wunschdenken, dass die Taliban die internationalen Dschihadisten im Land an die Leine nehmen werden: Sie brauchen die Ausländer als Fußsoldaten.

Was in Doha vereinbart wird, dient vor allem dem Wahlkampf von Donald Trump

Nach einem weitgehenden Abzug der ausländischen Soldaten stünde das Land also genau wieder da, wo es vor dem Einmarsch der internationalen Koalition nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gestanden hatte - in einem Bürgerkrieg, in dem die ethnischen Gruppen sich bekämpfen, Steinzeit-Islamisten vom Schlage der Taliban sich mit eher traditionellen Gruppierungen bekriegen, die Taliban zudem auf ihre noch brutalere Fanatiker-Konkurrenz vom "Islamischen Staat" schießen. Dann würden auch alle Keime der Zivilgesellschaft, zuallererst die Frauenrechte, erstickt werden.

Was in Doha geschieht, dient Donald Trump. Der US-Präsident ist 2016 auch gewählt worden, weil er versprochen hatte, die Soldaten heimzuholen aus den Kriegen im Orient, die den Wählern in Ohio oder Tennessee sinnlos erscheinen. Wenn Trump 2020 wieder gewählt werden will, muss er jetzt liefern. Dass seine Generäle sagen, die afghanischen Truppen seien unfähig, den Taliban ohne US-Schützenhilfe entgegenzutreten, interessiert ihn wenig. Die Aussichten sind also düster. Jeden Tag sterben zwei Dutzend afghanischer Soldaten und Polizisten. Ohne die westlichen Truppen wird kaum noch ein Afghane für die Regierung kämpfen wollen. Dann sind die Taliban bald da, wo sie schon vor 2001 waren: in Kabul.

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