Afghanistan und Taliban:Tod und Terror zum Tag der Wahl

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Drei erschossene Aufständische in Kabul, vier tote Polizisten nach einem US-Luftangriff und die Taliban drohen mit weiteren Anschlägen: Präsidentschaftswahl in Afghanistan.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Afghanistan haben die Taliban-Rebellen ihre Angriffe fortgesetzt und mit Drohungen Angst in der Zivilbevölkerung geschürt. Bei Anschlägen und Gefechten kamen an diesem Mittwoch mindestens 21 Menschen ums Leben, ein Taliban-Sprecher kündigte zudem eine Serie von Angriffen in der Hauptstadt Kabul an. Präsident Hamid Karsai und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon riefen die Afghanen trotz der Gefahr zu einer regen Wahlbeteiligung auf.

In Pakistan lebende Afghanen überqueren die Grenze nach Afghanistan, um auch an der Wahl teilzunehmen. (Foto: Foto: dpa)

Am Morgen überfielen vier Taliban-Kämpfer nach Angaben des Sprechers Sabihullah Mudschahed eine Bank in Kabul. Drei der Angreifer wurden nach Polizeiangaben von Sicherheitskräften getötet. Der Banküberfall sei Teil einer Serie von geplanten Angriffen, sagte der Taliban-Sprecher. Am Mittwoch seien 20 Taliban-Kämpfer und Selbstmordattentäter in verschiedenen Gruppen nach Kabul vorgedrungen, wo sie nun auf Anweisungen für Anschläge warteten.

Bei einem Luftangriff des US-Militärs im Süden des Landes sind zudem vier afghanische Polizisten ums Leben gekommen. Wie ein Regierungssprecher in der Provinz Ghasni mitteilte, hatten Kämpfer der radikal-islamischen Taliban zunächst einen Polizeiposten angegriffen. Die afghanischen Einsatzkräfte hätten daraufhin Luftunterstützung der US-Truppen angefordert. Dabei seien "zahlreiche Aufständische" und "leider auch vier unserer Polizisten" getötet worden, sagte der Sprecher.

"Wir haben die Kontrolle über alle Straßen des Landes und schützen sie mit Bodentruppen und Flugzeugen", wies ein Sprecher des Verteidigungsministerium die Drohungen der Taliban zurück. Um landesweit einen weitgehend störungsfreien Verlauf der Abstimmung zu sichern, seien mehr als 300.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, darunter etwa 100.000 ausländische Soldaten.

"Sehr großes Angstpotenzial"

Trotzdem bringt die Wahl nach Einschätzung eines deutschen Wahlbeobachters für die Menschen im Land ein "sehr großes Angstpotenzial" mit sich. "Alle, die irgendetwas mit der Wahl zu tun haben, haben Drohungen bekommen", sagte Andreas Deschler, der in den östlichen Provinzen Paktia und Ghasni für die EU-Wahlbeobachtermission im Einsatz ist.

Das reiche von allgemeinen Drohungen bis zur direkten Bedrohung von Leib und Leben. So seien Anschläge auf Häuser von Kandidaten verübt und Menschen verschleppt worden, berichtete Deschler. Drohungen und Attacken beträfen jeden - von den Kandidaten bis zum Wahlhelfer. Vor jenen Leuten "muss man wirklich den Hut ziehen, dazu gehört eine Menge Mut", sagte der 38-jährige Politikwissenschaftler.

Er habe erfahren, dass in einem entlegenen Winkel Ghasnis ein Wahllokal niedergebrannt worden sei. Auch die Nachtbriefe - Flugblätter mit Todesdrohungen an Wahlwillige - hätten zugenommen. Wer durch Tinte am Finger als Wähler erkennbar sei, werde umgebracht, heißt es darin.

Neben der Angst vor Anschlägen mehren sich die Anzeichen von Wahlmanipulation. Der britische Sender BBC berichtete, dass im Land Tausende Wahlausweise zum Verkauf stünden. Zudem seien den Stammesältesten hohe Geldbeträge geboten worden, damit deren Anhänger für einen bestimmten Kandidaten stimmten.

"Freie Wahlen waren nie realistisch"

"Es gibt überhaupt nicht genügend afghanische Wahlbeobachter, und ausländische schon gar nicht", sagte Thomas Ruttig, Co-Direktor des Afghanistan Analysts Network. Viele Gegenden blieben unbeobachtet. "Wir stehen einer ganzen Reihe schwarzer Löcher gegenüber. Was in diesen schwarzen Löchern bei der Wahl passiert, kann man nicht sagen."

"Freie und faire Wahlen waren ohnehin nie realistisch", sagte Ruttig. "Es ging um Wahlen, die für die Afghanen akzeptabel sind. Und ich bezweifle, dass das der Fall sein wird." Afghanen aus allen politischen Lagern hätten ihm gesagt, dass diese Wahl deutlich schlechter als die erste Präsidentschaftswahl im Jahr 2004 verlaufen werde.

"Wer Präsident wird, ist Sache des Volkes"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hofft dennoch auf einen sicheren und fairen Verlauf der Wahl. "Es geht darum, dass möglichst viele Afghaninnen und Afghanen ungehindert ihre Stimme abgeben können. Nur das wird die Glaubwürdigkeit der Wahl sichern." Nach Angaben des Afghanistan-Beauftragten Bernd Mützelburg hat die Bundesregierung darauf verzichtet, sich auf einen Kandidaten festzulegen. "Wer Präsident wird, ist ganz allein Sache des afghanischen Volkes."

Wenn alles ruhig bleibt, werden die deutschen Truppen am Wahltag nicht weiter in Erscheinung treten. Im Fall von Anschlägen stehen die deutschen Soldaten aber bereit, den Afghanen mit Transport, medizinischer Versorgung und notfalls auch militärischer Unterstützung unter die Arme zu greifen, heißt es beim Einsatzführungskommando in Potsdam. Die Bundeswehr ist derzeit mit rund 4200 Soldaten am Hindukusch im Einsatz.

Seit die Wahlkommission Ende Januar den Termin für die Präsidentenwahl in Afghanistan bekanntgegeben hat, kommt es fast wöchentlich zu tödlichen Anschlägen. Erst am Dienstag wurden bei zwei Selbstmordanschlägen in der Hauptstadt Kabul sowie in der südlichen Provinz Urusgan 17 Menschen getötet, darunter ein Nato-Soldat und zwei afghanische UN-Mitarbeiter. Die Taliban hatten bereits Ende Juli zum Wahlboykott aufgerufen und mit Gewalt gedroht.

© AFP/AP/dpa/rtr/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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