Afghanistan:Umworbene Extremisten

Afghanistan: Militärisch sind die Taliban stark: Im vergangenen Herbst eroberten sie vorübergehend die Stadt Kundus.

Militärisch sind die Taliban stark: Im vergangenen Herbst eroberten sie vorübergehend die Stadt Kundus.

(Foto: AP)

Die Regierungen in Kabul, Pakistan, China und den USA einigen sich auf einen Fahrplan für Gespräche mit den Taliban - aber es gibt Hindernisse.

Von Tobias Matern

Was für eine Aussicht: Die Taliban und die afghanische Regierung sollen bald zu Friedensverhandlungen zusammentreffen. So jedenfalls erhofft es sich eine Gruppe von vier Staaten, die am Wochenende in Islamabad zusammengekommen sind. Am Ende eines "Versöhnungsprozesses" sollen ein Ende des Krieges und ein "dauerhafter" Friede in Afghanistan stehen, erklärten Vertreter Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA nach Gesprächen in der Hauptstadt Pakistans.

In gut zwei Wochen wollen sich die Vertreter der vier Staaten erneut in Kabul treffen. Dann solle ein konkreter Termin für direkte Gespräche mit den Taliban festgelegt werden, teilte der Sprecher des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani mit. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, schließlich haben die Afghanen seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 und dem Einmarsch des Westens erlebt, wie sich die Sicherheitslage in ihrem Land Schritt für Schritt verschlechtert hat.

Zwar war das Bemühen der großen internationalen Akteure und der afghanischen Regierung lange nicht so gut aufeinander abgestimmt wie im Moment, auch die Frequenz der Treffen ist bemerkenswert. In der Vergangenheit waren solche Zusammenkünfte stets durch Indiskretionen aus einem der beiden Lager torpediert worden. Besonders auffällig, weil ungewöhnlich ist diesmal: Chinas Präsenz. Jahrelang zierte sich Peking, auf das Gerangel um die politische Zukunft der Afghanen offen Einfluss zu nehmen. Doch inzwischen ist die chinesische Regierung besorgt: Instabilität im Nachbarland - China und Afghanistan haben ein kleines gemeinsames Grenzstück - sieht Peking inzwischen als Gefahr für die eigene Sicherheit.

Vor allem Pakistan nimmt den chinesischen Vertreter am Verhandlungstisch mit großer Freude zur Kenntnis. Schließlich haben die Kommunisten und die Islamische Republik seit Langem gute Beziehungen. China päppelt Pakistan regelmäßig mit milliardenschwerer Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe. Spätestens seit die Amerikaner ihrem Ärger über den aus Washingtons Sicht zwar unverzichtbaren, aber zwielichtigen Partner Pakistan immer offener zur Schau stellen und das Geld aus Washington nur noch vergleichsweise spärlich fließt, gilt China als deutlich beliebterer Verbündeter in Islamabad.

Doch die Einigkeit der Vierergruppe kann das entscheidende Problem nicht beseitigen: Die Taliban sind nach wie vor extrem stark, sie haben sich auf militärischer Ebene eine blendende Ausgangssituation für mögliche Friedensverhandlungen geschaffen. Wie ein afghanischer Kommandeur der BBC bestätigte, stehen die Islamisten beispielsweise wieder einmal kurz davor, in der südlichen Provinz Helmand einen zentralen Distrikt vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen.

Ein weiteres Problem für Verhandlungen: Die Taliban gelten inzwischen als extrem zersplittert. Auch wenn es Fraktionen gibt, die sich Gesprächen nicht mehr grundsätzlich verschließen, wird es nahezu unmöglich sein, mit allen Gruppierungen der Islamisten einen Frieden auszuhandeln. Die pakistanische Regierung sprach sich dafür aus, möglichst viele afghanische Taliban-Gruppen an den Friedensgesprächen zu beteiligen. Die Bemühungen müssten darauf zielen, die größtmögliche Zahl von einer Teilnahme zu überzeugen, sagte der außenpolitische Berater der pakistanischen Regierung, Sartaj Aziz. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht mehr als Wunschdenken.

Der Taliban-Experte Ahmed Rashid zweifelt zudem an der Redlichkeit Pakistans. Das Sicherheitsestablishment in Islamabad müsse endlich eine "Kehrtwende" vollziehen und seine traditionell engen Bande zu den Islamisten nutzen, um sie "unter Druck zu setzen", wie er der Süddeutschen Zeitung sagte.

Obwohl die Taliban längst auch den pakistanischen Staat herausfordern, sind zahlreiche Beobachter weiterhin der Ansicht, dass Teile der afghanischen Taliban von Pakistan aus gesteuert werden. Traditionell hat Pakistan die Islamisten als Trumpfkarte für die Nachkriegsordnung in Afghanistan betrachtet - eine Darstellung, die pakistanische Diplomaten empört zurückweisen. Es sei unredlich, Pakistan die Schuld zuzuweisen, schließlich habe das Land einen extrem hohen Preis für seine Rolle im Kampf gegen den Terrorismus bezahlt.

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