Afghanistan:Taliban wollen Geld und Anerkennung

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Im Pandschir-Tal, der letzten Bastion gegen die Islamisten, patrouillieren Widerstandskämpfer entlang der Straßen. Ihre Lage ist schwierig. (Foto: Ahmad Sahel Arman/AFP)

Die Machthaber in Afghanistan streben diplomatische Beziehungen mit westlichen Staaten an. Es geht auch um finanzielle und humanitäre Hilfen. Kanzlerin Merkel ist zu Gesprächen bereit.

Von Tobias Matern, München

Nach der Machtübernahme in Afghanistan bemühen sich die Taliban nun um eine internationale Anerkennung. Die neue Regierung wünsche sich von Deutschland und anderen Ländern finanzielle und humanitäre Hilfe sowie Kooperationen bei Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung, sagte ihr Sprecher Zabiullah Mudschahid der Welt am Sonntag: "Wir wollen starke und offizielle diplomatische Beziehungen."

Bislang sind westliche Staaten in dieser Frage reserviert und knüpfen eine vertiefte Zusammenarbeit an Bedingungen. Nichtsdestotrotz haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet bereits für die Aufnahme von Verhandlungen ausgesprochen. "Was die Taliban anbelangt, ist es so, dass wir natürlich mit ihnen reden müssen, weil sie jetzt diejenigen sind, die man ansprechen muss", sagte Merkel am Sonntag.

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Länder wie Deutschland sind aber auch auf eine Kooperation mit den Taliban angewiesen, weil sie nach dem Ende der von der Bundeswehr durchgeführten Evakuierungssmission weiterhin Ortskräfte und andere bedrohte Gruppen aus Afghanistan ausfliegen wollen. Dutzende Afghaninnen, die als Ortskräfte für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben, forderten die Bundesregierung in einem Brief auf, sie und ihre Familien nach Deutschland zu holen. Als alleinstehende Frauen hätten sie ihre Familien ernährt. "Wenn die GIZ mich ohne meine Familie herausholt, dann werden sie Hunger leiden", schreibt eine Frau in dem Brief. "Ich kann sie nicht zurücklassen. Aber wenn ich in Afghanistan bleibe, dann begebe ich mich selbst in Gefahr."

An eine engere Zusammenarbeit mit den Taliban hatten die EU-Außenminister jüngst zahlreiche Bedingungen geknüpft. Die von Deutschland und Frankreich angeregte Strategie sieht vor, schnell wieder Entwicklungshilfe zu ermöglichen, um eine humanitäre Katastrophe und Fluchtbewegungen in Richtung Europa zu verhindern.

Ein Besucher aus Pakistan erregt Aufsehen

Nicht nur die Versorgungslage ist prekär, auch die Kämpfe zwischen den Taliban und der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRFA) am Wochenende im Pandschir-Tal nordöstlich von Kabul hielten an. Die Region ist die letzte Bastion gegen die Islamisten. Der gestürzte Vizepräsident Amrullah Saleh, der auf Seiten der NRFA kämpft, räumte am Wochenende in einem Video ein, dass die Lage für die Widerstandskämpfer schwierig sei.

Aufsehen in Kabul erregte am Wochenende der Besuch des Chefs des pakistanischen Geheimdiensts (ISI), Faiz Hameed. Nach Angaben der Taliban sei es zu einem Treffen gekommen. Viele Afghanen, darunter auch Vertreter der gestürzten Regierung von Präsident Aschraf Ghani, werfen Pakistan vor, den Taliban die Rückkehr an die Macht ermöglicht zu haben.

Der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, General Mark Milley, warnte vor einem Bürgerkrieg in Afghanistan. Er sei sich nicht sicher, ob die Taliban in der Lage sein würden, "ihre Macht zu konsolidieren und eine Regierung aufzubauen", sagte Milley im US-Fernsehen. Terrorgruppen wie al-Qaida und der sogenannte Islamische Staat könnten nun versuchen, wieder verstärkt von Afghanistan aus zu operieren. Die Taliban hatten nach dem Abzug der letzten westlichen Soldaten innerhalb von wenigen Wochen das Land übernommen, vor drei Wochen übernahmen sie auch Kabul kampflos.

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