Afghanistan: Taliban und al-Qaida:Zwist unter Waffenbrüdern

Für US-Politiker bilden Taliban und al-Qaida ein "Terrorsyndikat". Doch Experten verweisen darauf, dass das Bündnis bröckelt. Das eröffnet die Chance, al-Qaida aus Afghanistan zu verdrängen.

Janek Schmidt

Das Bündnis gilt als eng, so eng, dass einige US-Politiker darin das größte Hindernis für Frieden in Afghanistan sehen. Glaubt man ihnen, bilden die Taliban und die Extremisten von al-Qaida ein "Terror-Syndikat", das seit mehr als zehn Jahren die Welt bedroht. Doch nun bringen die Afghanistan-Experten Alex Strick van Linschoten und Felix Kühn diese Sicht ins Wanken.

Afghanistan: Taliban und al-Qaida: Anders als al-Qaida: Talibankämpfer in Afghanistan (Archivbild).

Anders als al-Qaida: Talibankämpfer in Afghanistan (Archivbild).

(Foto: AFP)

Die beiden Forscher sind zwei der letzten westlichen Beobachter, die in der südafghanischen Taliban-Hochburg Kandahar ausharren. Das verschafft ihnen Zugang zu den extremistischen Koran-Schülern - und bringt sie in einer neuen Studie zu einem bemerkenswerten Schluss: "Al-Qaida und die Taliban sind zwei verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Mitgliedern, Plänen, Ideologien und Zielen." Daraus folgern sie, dass es "Spielraum gibt, um die Taliban dafür zu gewinnen, sich von al-Qaida loszusagen und zu garantieren, dass internationale Terroristen Afghanistan nicht mehr nutzen können".

Die Gräben zwischen den zwei Terror-Gruppen gehen demnach schon auf deren Gründungszeiten zurück: So stammten die Anführer, die al-Qaida Ende der achtziger Jahre aufbauten, aus dem arabischsprachigen Nahen Osten - kein einziger Afghane sei unter ihnen gewesen. Diese Araber stützen sich auf die Ideologie des internationalen Islamismus von Vordenkern aus den sechziger Jahren wie dem Ägypter Sayyid Qutb.

Die Taliban hingegen rekrutierten sich aus dem zentralasiatischen Volk der Paschtunen. Sie sprechen Paschtu und hätten sich 1994 formiert, um sich gegen Kriminelle in der Provinz Kandahar zur Wehr zu setzen. "Die Anführer hatten andere ideologische, soziale und kulturelle Hintergründe und stammten aus verschiedenen Ländern und Generationen", so die Studie.

Heute bestünden drei Kontaktpunkte zwischen beiden Gruppen: Persönliche Verbindungen, der islamische Glaube und vor allem ein gemeinsamer Feind. Doch entstehe daraus nur eine Zweckgemeinschaft, die nun auch noch bröckele. So distanzierten sich die Taliban zunehmend von ihren internationalen Kampfgefährten.

Bin laden hat "den Anführer der Gläubigen belogen"

Bereits seit 2007 seien die Taliban extrem vorsichtig bei ihren Stellungnahmen zu Anschlägen im Ausland gewesen, die nie gelobt würden. Als ihr Kommandeur für Südafghanistan, Mullah Mansour, zu Angriffen in Europa aufrief, sei er sogar verstoßen worden. Und zum Ramadan-Fest im vergangenen September verkündete Taliban-Anführer Mullah Omar: "Wir wollen unsere Außenpolitik auf dem Prinzip aufbauen, dass wir anderen keinen Schaden zufügen."

Im November brach der frühere Taliban-Botschafter und heutige Vermittler Mullah Zaeef sein Schweigen zu al-Qaida: In der ägyptischen Zeitung Al-Masry al-Youm bestätigte er ein Gerücht: Nach den Anschlägen vom 11. September habe Bin Laden seine Täterschaft vor dem Taliban-Anführer Mullah Omar bestritten und so "den Anführer der Gläubigen belogen".

Zudem berichten die Autoren der Studie, dass ein führender Taliban-Stratege privat gar vorgeschlagen habe, seine Truppen könnten nach einem Deal mit US-Soldaten auch al-Qaida angreifen.

Wie verlässlich solche Vorschläge sind, kann auch Thomas Ruttig, Mitarbeiter der Forschungsstelle Afghanistan Analysts Network, schwer einschätzen. Niemand habe Angebote der Taliban ausprobiert, sagt er, "aber sie müssen ausprobiert werden". Indes sei eines klar: "Die Autoren wissen einfach besser Bescheid als Menschen, die nur Berichte lesen und in Washington oder hinter Schutzwällen in Afghanistan sitzen."

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