Afghanistan:Taliban wollen Afghanen an Ausreise hindern

Konflikt in Afghanistan - Ramstein Air base

Amerikaner, die über Ramstein von Kabul in die USA fliegen, besteigen auf der Air Base in Rheinland-Pfalz ein Flugzeug.

(Foto: Airman Edgar Grimaldo/dpa)

"Wir werden ihnen nicht erlauben, das Land zu verlassen", so ein Sprecher in Kabul. Die UN werfen den Islamisten schwerste Verbrechen vor.

Während aus Afghanistans Hauptstadt Kabul binnen 24 Stunden so viele Menschen wie noch nie ausgeflogen wurden, seit die Taliban die Macht wieder an sich gerissen haben, kündigten die militanten Islamisten an, Afghanen nicht mehr zum Flughafen durchzulassen. "Wir werden ihnen nicht erlauben, das Land zu verlassen", sagte am Dienstag in Kabul Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid bei einer von BBC übertragenen Pressekonferenz. Mudschahid warf den USA vor, gut ausgebildete Afghaninnen und Afghanen zur Ausreise zu überreden. Er rief die Bevölkerung zum Bleiben auf. Frauen würden nicht dauerhaft daran gehindert werden, arbeiten zu gehen.

Der Sprecher kündigte an, dass die Taliban die Menschenmenge am Flughafen Kabul reduzieren wollen. Es seien zu viele, sie könnten ihr Leben verlieren. Wie CNN meldete, warteten am Dienstag an die 7000 Menschen darauf, in eine der Maschinen ins Ausland zu gelangen. Außer Ausländern sind es vor allem Afghanen, die als Ortskräfte tätig waren für Botschaften, Militär, und Organisationen und nun Racheakte der Islamisten fürchten müssen.

Zugleich scheint sich die Sicherheitslage rund um die Evakuierungsflüge anzuspannen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn sagte am Dienstag in Berlin, man habe Signale aus amerikanischen Quellen, aber auch eigene Erkenntnisse, dass zunehmend potenzielle Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat "in die Stadt einsickern".

Dass die Ängste vor den Taliban begründet sind, bestätigte am Dienstag die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. Ihr Büro habe in den vergangenen Wochen glaubhafte Berichte über Verbrechen erhalten, erklärte sie bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Bachelet sprach von willkürlichen Hinrichtungen von Zivilisten, harten Einschränkungen für Mädchen und Frauen wie die Verweigerung des Schulbesuchs, der Rekrutierung von Kindersoldaten und der Niederschlagung friedlicher Proteste. Bachelet forderte die Taliban auf, die Menschenrechte zu achten und sozialen Zusammenhalt und Versöhnung zu fördern. Von besonderer Bedeutung sei die Behandlung der Mädchen und Frauen. Andere Staaten sollten sichere Routen für afghanische Flüchtlinge und Migranten schaffen.

In der Resolution, welche der Menschenrechtsrat verabschiedete, werden aber die Taliban nicht genannt. Pakistan präsentierte das Schriftstück im Auftrag islamischer Staaten. Deutschland und die anderen EU-Staaten in dem Gremium machten klar, dass der Text ungenügend sei. Aus Solidarität mit den leidgeprüften Afghanen reihten sich die EU-Staaten aber in den Konsens ein, erklärte Österreichs Botschafterin Elisabeth Tichy-Fisslberger. Sie kritisierte auch, dass es keinen robusten UN-Untersuchungsmechanismus für Verbrechen in Afghanistan gibt, das hätten Pakistan und seine Verbündeten abgelehnt.

Der Widerstand gegen die Taliban konzentriert sich im Pandschir-Tal

Unklar ist weiter, ob größere Teile der afghanischen Bevölkerung bereit sind, sich gegen die Herrschaft der Islamisten zu erheben. Eine Gruppe Kämpfer hält sich im Pandschir-Tal und den umliegenden Bezirken auf und will den Taliban dort Widerstand leisten. Es kam in den vergangenen Tagen zu Gefechten. Das militärisch schwer einzunehmende Pandschir-Tal, 100 Kilometer nordöstlich von Kabul, ist Zentrum des Widerstands. Die Anti-Taliban-Kämpfer stehen unter der Führung von Ahmad Massud, Sohn des berühmten Widerstandskämpfers Ahmad Schah Massud. Der frühere Vize-Präsident Afghanistans, Amrullah Saleh, ist ebenfalls dort und hat den Taliban den Kampf angesagt.

Gleichzeitig verhandelt die Pandschir-Fraktion aber mit den Taliban. Im Umfeld Massuds hieß es am Dienstag gegenüber der SZ, Massoud telefoniere mit Taliban-Vertretern. Man sei "aber nicht optimistisch" über den Ausgang der Gespräche. Die Taliban selbst hatten auch angedeutet, dass sie Interesse an einer Verhandlungslösung hätten. Sie sollen angeblich bereit sein, Massoud einen Posten in einer Übergangsregierung zu geben. Man sei in jedem Fall bereit zu kämpfen, hieß es: "Die Bevölkerung des Pandschir-Tals wird sich verteidigen." Kleinere Einheiten der geschlagenen Armee seien ebenfalls im Pandschir-Tal. "Es ist aber nur eine eher kleine Gruppe", hieß es dazu.

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