Frieden mit den Taliban:Afghanistans Führung ist zum Erfolg verdammt

Afghanistan: Präsident Ghani und Abdullah Abdullah vereinbaren Machtteilung

Rivalen und Verbündete: Präsident Aschraf Ghani (re.) und der unterlegene Abdullah Abdullah unterzeichneten eine Vereinbarung zur Machtteilung.

(Foto: dpa)

Die fragile Regierung in Kabul hat eine große Chance, zum Frieden zu gelangen. Aber die Taliban haben sich mit den USA einen Vorteil verhandelt. Umso umfangreicher werden die Angebote an sie ausfallen müssen.

Kommentar von Tobias Matern

Die letzten Monate waren verschenkt, das innenpolitische Chaos hat Afghanistan geschadet. Aber nun einigt sich die Elite des Landes auf eine Machtteilung. Präsident Ghani bleibt Präsident, sein Rivale Abdullah wird wieder ein Verbündeter auf Zeit und zum Chef des wichtigsten Gremiums befördert: dem Friedensrat, der mit den Taliban Gespräche führen soll. Das ist eine mutige Personalie, die alles beschleunigen oder auch alles zum Kollabieren bringen kann. Denn Abdullah war früher Teil der Mudschahedin, der Todfeinde der Taliban. Wenn sich diese beiden verfeindeten Gegenspieler nun also an einen Tisch setzten und aussöhnten, könnte das als Blaupause für das gesamte Land mit seinen vielen verschiedenen Ethnien taugen.

Abdullah hat sich, wie häufiger in seiner politischen Karriere, für die pragmatische Lösung entschieden. Er lässt seinen berechtigten Frust über die vielen Ungereimtheiten bei der Präsidentschaftswahl hinter sich und gibt, weil es für den ersten Posten im Staate nicht reicht, nach vielen Störfeuern den Mannschaftsspieler. Zusammen mit Ghani will er nun seinen Teil zum Frieden beitragen. Ob er diesen Habitus durchhalten wird oder sich mit dem Präsidenten nicht doch bald wieder eine Privatfehde leistet, ist auch nach dem gerade geschlossenen Burgfrieden nicht entschieden. Zumindest aber ist es möglich, sich endlich wieder dem wesentlichen Problem Afghanistans zuzuwenden. Das ist und bleibt der Krieg, nicht das Machtgerangel unter den politischen Eliten.

Die Taliban haben in den vergangenen Jahren nicht nur unter Beweis gestellt, dass sie westliche Hightech-Armeen und die afghanischen Sicherheitskräfte in ein endloses Patt verstricken können. Sie haben sich auch als geschickte Verhandler erwiesen. Ihre Strategie, das gegnerische Lager zu spalten, sich erst einmal nur mit den Amerikanern an einen Tisch zu setzen und die Regierung Ghani auszuschließen, war ihr Vorteil. Daraus entstanden ist ein bilaterales Abkommen zwischen den Taliban und Washington, das ein Abzugsdatum enthält: Bis Ende April 2021 sollen die westlichen Truppen das Land verlassen. Zwar enthält dieser Deal Bedingungen, der den Taliban das Gefühl geben soll, dass sie die Zeit nicht einfach bis dahin aussitzen können. Aber es ist schwer vorstellbar, dass Donald Trump in einem Wahljahr den Amerikanern verkünden wird, die Soldaten nun doch länger in Afghanistan zu lassen, weil die innenpolitischen Rahmenbedingungen in Kabul noch nicht reif für einen Frieden sind.

Die USA haben der Regierung Ghani und nun dem Chefverhandler Abdullah also ein schweres Päckchen für die Friedensgespräche hinterlassen: Zwar gibt es nun auch von Seiten der Islamisten den dokumentierten Willen, diesem Krieg nach fast 20 Jahren ein Ende zu bereiten. Aber der Zeitdruck liegt bei der afghanischen Regierungsmannschaft. Sie muss nun die mühsamen Details für eine innere Aussöhnung des Landes erarbeiten. Die Taliban fühlen sich offenbar nach wie vor stark genug, um die Forderung nach einer Waffenruhe zu ignorieren. Sie attackieren weiter Regierungsposten, zuletzt am Montag. Während sie sich ein Scheitern der Friedensgespräche mit Abdullah leisten können, ist Afghanistans Führung bei den Verhandlungen zum Erfolg verdammt - eben weil am Horizont der Abzug des Westens sehr klar umrissen ist. Entsprechend umfassend werden die Angebote an die Taliban sein müssen.

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