Afghanistan: Taliban brüsten sich mit Mord an Karsai-Bruder:"Einer unserer größten Erfolge"

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Ein Attentat, das nach ganz oben zielt: Ein langjähriger Vertrauter erschießt Ahmed Wali Karsai, den Bruder des afghanischen Präsidenten. Ihm wurden Drogenhandel und Geschäfte mit der CIA nachgesagt. Die Taliban übernehmen die Verantwortung für den Anschlag - doch politische Beobachter zweifeln an diesem Bekenntnis.

Janek Schmidt

Der Halbbruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ist erschossen worden. Berichten zufolge hatte Ahmed Wali Karsai, Vorsitzender des Provinzrats von Kandahar und einer der einflussreichsten Männer des Landes, am Dienstagvormittag zu einen Empfang geladen. Dafür versammelten sich 60 Würdenträger in seinem Haus im Zentrum Kandahars, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Südafghanistan.

Ahmad Wali Karsai, der Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, ist erschossen worden. (Foto: dpa)

Nach Angaben des afghanischen Nachrichtensenders Tolo News bat ihn dabei sein Vertrauter und langjähriger Leibwächter, Sardar Mohammad, zu einem Gespräch in ein Nebenzimmer und feuerte dort drei Schüsse auf Karsai ab. Kopf, Brust und eine Hand wurden getroffen.

Kurze Zeit nach dem Anschlag bekannten sich die Taliban zu der Tat. Usuf Ahamdi, ein Sprecher der Islamisten-Gruppe, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Das ist einer unserer größten Erfolge", seit Beginn der Frühlingsoffensive. Doch mehrere Beobachter wie etwa Kate Clark von der Kabuler Forschungseinrichtung Afghanistan Analysts Network äußerten Zweifel an dem Bekenntnis. So habe der mutmaßliche Todesschütze den ermordeten Karsai seit mehr als sieben Jahren gekannt und dabei einen so engen Kontakt zu ihm aufgebaut, dass ein persönlicher Streit im Familienumfeld der Karsais mindestens ebenso wahrscheinlich erscheine wie ein politischer Hintergrund.

"Vor allem macht mich die Nachricht auf der Taliban-Webseite al-Emarah stutzig", sagt Clark. Auf dieser Internetseite, die die Taliban bevorzugt für Veröffentlichungen nutzen, erschien am Dienstag nur der Hinweis, der Mörder sei "in Kontakt mit Aufständischen" gewesen. "Ich hätte von den Taliban ein klareres Bekenntnis erwartet", sagt Clark. Die Ermittlungen wurden dadurch erschwert, dass der Todesschschütze unmittelbar nach dem Anschlag von Leibwächtern Karsais erschossen wurde.

Unabhängig vom Hintergrund ist der Mord für Präsident Karsai ein enormer Rückschlag. Der Staatschef hatte sich am Dienstag in Kabul mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy getroffen. Anschließend trat er weniger als zwei Stunden nach dem Anschlag vor die Presse und verkündete mit gefasster Stimme: "Wir heißen Herr Sarkozy willkommen und hoffen, er vergibt uns, dass wir heute nicht mit einem Lächeln sprechen." Daraufhin flog er Angaben zufolge direkt nach Kandahar.

Dort reißt der Mord eine große Lücke in das politische Machtgefüge, das für die Zukunft des Landes entscheidend werden könnte. Denn nicht nur die Taliban, auch die Familie Karsai hat in Kandahar ihre Wurzeln. So hatte bereits Karsais Vater, Abdul Ahad, ein einstiger Vertrauter des früheren afghanischen Königs, eine Machtbasis in Kandahar aufgebaut, bevor er 1999 von den Taliban ermordet wurde.

Zu mächtig für die USA

Die beiden engsten politischen Bündnispartner des Familienoberhauptes waren damals zwei seiner Söhne: der heutige Präsident Hamid, der stets an der Seite seines Vaters gekämpft hatte, sowie der nun ermordete Ahmed Wali. Dieser Sohn von einer anderen Mutter hatte in den achtziger Jahren mit weiteren Brüdern im US-Exil mehrere Restaurants aufgebaut. Doch reiste er in den neunziger Jahren zurück nach Pakistan, um dort seinem exilierten Vater und Bruder zur Seite zu stehen.

Das enge Verhältnis aus dieser Zeit im pakistanischen Exil blieb zwischen den Karsai-Brüdern nach dem Sturz der Taliban bestehen: Der ältere wurde 2002 afghanischer Präsident und regierte in der Hauptstadt Kabul; der jüngere baute den Familieneinfluss in Afghanistans zweitwichtigster Stadt Kandahar aus. Dabei tauchten Vorwürfe auf, dass Wali Karsai in das Drogengeschäft involviert war und zudem Geld vom US-Geheimdienst CIA erhielt, um Taliban mit einer Miliz zu bekämpfen.

Daraufhin versuchten die USA zunächst, Wali Karsai abzusetzen, etwa mit einer Ernennung als Botschafter im Ausland. Doch Präsident Karsai protegierte seinen Bruder. Nach Auskunft von Beobachtern in Kabul entschieden die USA Anfang 2010, dass der Präsidenten-Bruder zu mächtig war, um entfernt zu werden. Nun hat dies ein Attentäter getan.

© SZ vom 13.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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