Süddeutsche Zeitung

Afghanistan-Reise:Steinmeier will Taliban an Friedensgesprächen beteiligen

  • Bei einem überraschenden Besuch in Afghanistan befürwortet Bundespräsident Steinmeier eine Einbindung der radikal-islamischen Taliban in Friedensgespräche.
  • Er bezieht damit deutlicher Position als Mitglieder der Bundesregierung.

Von Nico Fried, Masar-i-Scharif

Bei seinem Besuch in Afghanistan hat Frank-Walter Steinmeier trotz der schweren Anschläge mit Hunderten Toten in den vergangenen Monaten erstaunlich klar für eine Einbindung der Taliban in Friedensgespräche plädiert. Anders sei eine politische Verständigung nicht möglich. "Diese Realität müssen wir anerkennen", sagte Steinmeier.

Das Staatsoberhaupt, das sich nach herkömmlichem Verständnis eigentlich in Debatten um politische Konzepte zurückhalten sollte, bezieht damit deutlicher Position als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sich bislang nicht zur Rolle der Taliban geäußert haben. Nur Außenminister Sigmar Gabriel hatte Anfang Juni nach dem schweren Anschlag in Kabul, bei dem auch Teile der deutschen Botschaft zerstört worden waren, Gespräche mit den Taliban gefordert.

Steinmeier fordert nun, die afghanische Regierung müsse mehr tun, um die verfeindeten Gruppen zu versöhnen, die Taliban eingeschlossen. Selbst der deutsche Brigadegeneral André Bodemann, dessen Leute Dutzende Kameraden durch tödliche Angriffe der Taliban verloren haben, sagt, ohne solche Friedensgespräche "kann unsere Arbeit nicht erfolgreich sein".

Bundespräsident Steinmeier war am Donnerstagmorgen zu einem Überraschungsbesuch in Masar-i-Sharif eingetroffen. Der Abstecher auf der Rückreise von Afghanistan, war zuvor aus Sicherheitsgründen geheim gehalten worden. Steinmeier räumte in einer Rede gegenüber deutschen Soldaten ein, der Einsatz dauere mittlerweile länger als erhofft und habe sich "anders entwickelt", als die Verantwortlichen erwartet hätten. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Teilen des Landes zuletzt wieder verschlechtert. "Mir ist wohl bewusst, dass der Weg viel schwieriger ist als ursprünglich erhofft."

Wegen der schlechten Sicherheitslage in der Hauptstadt wurde er vom Flughafen mit einem Hubschrauber direkt in den Garten des Präsidentenpalasts gebracht. Ein Transport auf der Straße gilt derzeit als zu gefährlich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich rapide verschlechtert, seit die Nato ihre Kampfmission Ende 2014 beendet und die meisten Truppen abgezogen hat. Der Kampf gegen die Taliban wurde der einheimischen Armee überlassen. Die internationalen Truppen sind nur noch zur Beratung und Ausbildung da.

Die meisten der noch gut 900 deutschen Soldaten werden selbst dafür nicht mehr eingesetzt, sondern betreiben nur noch das Feldlager in Masar-i-Scharif. Einst waren 5000 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.

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