Afghanistan:Mit den Taliban reden

Präsident Ashraf Ghani plant eine Loja Dschirga, eine große Ratsversammlung, um im Friedensprozess wieder ein Wort mitzureden: Bislang hatte er bei Verhandlungen über die Zukunft seines Landes eher eine Zuschauerrolle.

Von Tobias Matern

Bislang ist er nur Zuschauer, wenn über die Zukunft seines Landes gesprochen wird. Aber das will Ashraf Ghani nun ändern. Im März will der afghanische Präsident eine Loja Dschirga abhalten, eine große Ratsversammlung, um im Friedensprozess wieder ein Wort mitzureden. Denn bislang trifft sich nur der US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad mit den Taliban, die Kabuler Regierung sitzt nicht mit am Verhandlungstisch.

Im 18. Jahr wütet nunmehr der Krieg in Afghanistan; sowohl Amerikaner als auch Taliban sind zu der Einsicht gelangt, dass sie ihn militärisch nicht für sich entscheiden können. Beide verfolgen ein Ziel: Die amerikanischen Truppen sollen raus aus Afghanistan. Und die Taliban sollen den USA im Gegenzug eine Sicherheitsgarantie abgeben, wonach von afghanischem Territorium aus nicht wieder Terrororganisationen operieren können, die Anschläge wie am 11. September 2001 planen.

Ausgeklammert bei den bisherigen Verhandlungen sind allerdings die innerafghanischen Fragen: Werden sich die Taliban an Wahlen beteiligen und auch Ergebnisse akzeptieren, die nicht ihren Wünschen entsprechen? Werden sie die errungenen Rechte der afghanischen Frauen akzeptieren? Werden sie die Verfassung akzeptieren? US-Diplomat Khalilzad betont, es liege an den Afghanen selbst, ihre Angelegenheiten zu klären. Er sehe seine Rolle einerseits darin, US-Interessen zu vertreten und andererseits einen afghanischen Gesprächsprozess in Gang zu bringen.

Präsident Ghani betont, dass er Khalilzad als ehrlichem Makler vertraue, es gibt allerdings auch Stimmen hochrangiger Regierungsvertreter in Kabul, die befürchten, dass die Amerikaner ihr Abkommen mit den Taliban vorantreiben, sich dann zu einem vorschnellen Abzug entscheiden - und die afghanische Regierung mit den Taliban alleingelassen wird.

Ob sich die Islamisten auf den angestrebten Dialog einlassen werden, ist fraglich

"Die Loja Dschirga ist ein politisches Manöver von Präsident Ghani, um sich die Initiative im Friedensprozess zurückzuholen", sagte der politische Analyst Haroun Mir am Donnerstag. Die Dschirga solle Ghani und seiner Regierung die dringend benötigte "Unterstützung und Legitimität" von Vertretern des afghanischen Volkes sichern. In der afghanischen Geschichte haben häufig Loja Dschirgas über zentrale Fragen befunden, auch Ghanis Vorgänger Hamid Karsai hatte sie einberufen. An der Ratsversammlung, die für den Zeitraum vom 17. bis 20. März angesetzt ist, sollen nach offiziellen Angaben 30 Prozent Frauen teilnehmen. Vertreter aus allen Landesteilen sollen zusammenkommen, um dem Präsidenten am Ende der Beratungen einen Gesprächsrahmen für den angestrebten Dialog mit den Taliban zu erteilen. Ob die Islamisten sich darauf einlassen werden, ist aber nach wie vor fraglich.

Nicht nur die USA führen direkte Gespräche mit den Taliban, auch in Russland waren jüngst Delegationen der Islamisten zu Gast. Sie trafen sich mit mächtigen Vertretern der afghanischen Opposition sowie mit Ex-Präsident Hamid Karsai. Gegen Karsai wurde daraufhin der Vorwurf laut, er wolle die Autorität seines Nachfolgers untergraben. "Karsai und sein Team wollten die amtierende Regierung komplett zur Seite schieben", sagt Politianalyst Mir. Mit der Jirga sende Ghani nun das Signal aus, dass er selbst wieder die Zügel in die Hand nehmen wolle.

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