Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:"Land mit Tausenden Jahren Kultur und Geschichte"

Die Fotos des Amerikaners William "Bill" Podlich erinnern an ein Afghanistan, das einst tatsächlich auf dem Weg in die Moderne war.

In Kabul 1967/68 können Schülerinnen im Rock durch die Straßen laufen, viele tragen weder Kopftuch noch Burka.

Junge Männer können am öffentlichen Leben teilhaben, ohne Waffen tragen zu müssen.

Moderne Architektur, modernes Gerät - in den 60ern sind deutlich Ansätze des Fortschritts zu erkennen.

Trotzdem bleibt Afghanistan geprägt von seiner konservativen Bevölkerung: Ein Händler mit einem afghanischen Teppich mit dem typischen Elefantenfuß-Muster.

Die beiden Töchter des Fotografen Bill Podlich, hier Peg, bewegen sich damals westlich gekleidet frei im ganzen Land.

Am 1. Mai demonstrieren Arbeiter. 1973 wird der König gestürzt, später regieren Moskau-Treue. Konflikte mit der Bevölkerung führen zum Bürgerkrieg und zum Einmarsch der Roten Armee 1979.

Die nach Schweden geflohene Afghanin Del Afroz Afzalzada notiert zu diesem Bild mit einem Busfahrer, der mit seinen Passagieren auf die Abfahrt wartet: "Man konnte mit dem Bus von Kabul nach Peschawar in Pakistan reisen und hätte eine Tasche voller Geld dabeihaben können. Niemand hätte einen belästigt. Alles war sicher. Heute ist so eine Fahrt sehr gefährlich." Gerade im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan sind die Taliban aktiv, viele Reiserouten verlaufen durch die Kampfgebiete.

Auch in den 60er Jahren beten die Männer in Afghanistan öffentlich, aber sie pflegen einen traditionellen Islam, der noch nicht von Dschihadisten missbraucht wird.

Neben US-Straßenkreuzern fahren VW-Busse und Käfer auf den Straßen: Afghanistan war in den 60er-Jahren Ziel der Hippies aus Europa, viele reisten mit dem Bulli an.

Stadt im Kessel: Umgeben von hohen Bergen liegt die Hauptstadt Kabul vor zwei Afghanen, die am Nachmittag den spektakulären Ausblick genießen.

Die Töchter von Bill Podlich, Peg, 17 Jahre und Jan (sitzend) 15 Jahre, machen Fotos im Garten von Paghman, einem Kurort bei Kabul.

Peg (vorne links) fährt unverschleiert mit Einheimischen in einem Bus. Das wäre heute unvorstellbar - Ausländer leben in Kabul in stark gesicherten Parallelwelten.

Die Kapelle der afghanischen Armee tritt an. Die Soldaten tragen deutsche Stahlhelme - Wehrmachtsoffiziere hatten die Streitkräfte des Königreichs modernisiert.

Anzug und Krawatte sind bei Islamisten verpönt, im Kabul der 60er gehörten sie bei höheren Beamten und Angestellten einfach dazu.

Was für die Kleidung der Männer gilt, gilt damals noch mehr für die der Frauen, die im heutigen Kabul undenkbar ist. Nur auf dem Land tragen die Frauen auch früher meist eine Burka, den sackartigen afghanischen Ganzkörperschleier.

Studierende in Kabul in der Klasse von Bill Podlich. Del Afroz Afzalzada notierte zu den Fotos: "Als junge Frau begann ich als Hebamme in einem staatlichen Krankenhaus zu arbeiten. Dort sagten sie mir, ich solle das Kopftuch abnehmen. Es war dort unüblich, eines zu tragen."

Der Nachwuchs tanzt in einem Kindergarten.

"Wenn ich mir die Fotos ansehe, erinnere ich mich an Afghanistan als Land mit Tausenden Jahren Kultur und Geschichte", sagt Peg Podlich Jahrzehnte später.

Eine Szene aus dem Jahr 1967. Titel des Bildes: Straßen-Café.

Selten ist auch Fotograf Podlich selbst einmal auf einem Foto zu sehen. Weitere seiner Fotos finden Sie hier.

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