Afghanistan:Kungler Karsai? Kommission belegt Schmu

In Afghanistan wird eine Stichwahl um das Präsidentenamt immer wahrscheinlicher: Eine Wahlkommission hat Hunderttausende Stimmen für ungültig erklärt.

Kungeln in Kabul? Es gibt neue Aufregung über die Art, wie Präsident Hamid Karsai angeblich wiedergewählt wurde. Er wirkt wie ein Regierungschef, der sich ins Amt trickst.

Die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) jedenfalls hat die Auszählungsergebnisse der Präsidentschaftswahl in 210 Wahllokalen für ungültig erklärt. Die Kommission legte am Montag in Kabul ihren mit Spannung erwarteten Bericht zu dem Wahlgang vom 20. August vor, dessen Ergebnis seither umstritten ist.

Dem Vernehmen nach wurden mehrere hunderttausend Stimmen für ungültig erklärt. Damit dürfte eine Stichwahl zwischen Präsident Karsai und seinem stärksten Herausforderer Abdullah Abdullah nötig werden - offiziell ist das allerdings nicht.

Aus der ECC-Mitteilung ging nicht hervor, ob Amtsinhaber Karsai die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang verfehlt hat. Der Abschluss der ECC-Untersuchung ist Bedingung dafür, dass die übergeordnete Unabhängige Wahlkommission (IEC) ein um gefälschte Stimmen bereinigtes Endergebnis verkünden darf. Diese Kommission, die als Karsai-freundlich gilt, hat noch keinen Termin für die Verkündung genannt, die nicht mehr für Montag erwartet wurde.

BBC: Karsai verfehlt absolute Mehrheit

Die britische BBC berichtete unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen, Karsai habe die absolute Mehrheit verfehlt. Am Wochenende hatte es aus diplomatischen Kreisen geheißen, Karsai wehre sich gegen die Bekanntgabe eines amtlichen Endergebnisses, nach dem er keine absolute Mehrheit mehr hätte.

Das Lager von Präsident Hamid Karsai kritisierte derweil das Vorgehen der Wahlbeschwerdekommission der UN bei der Prüfung des Wahlergebnisses. "Das Vorgehen ist falsch und hat die Anzahl der für Karsai abgegebenen Stimmen verringert", sagte der Abgeordnete Mohammad Moin Marastjal, einer der führenden Mitarbeiter in Karsais Wahlkampfteam, der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei der Versuch unternommen worden, Karsais Mehrheit auf unter 50 Prozent zu drücken, bemängelte Marastjal.

"Karsais Wahlkampfbüro kritisiert die Art und Weise, mit der mit verdächtigen Stimmen umgegangen wird", sagte Marastjal. "Wir stecken in einer Sackgasse." Das Untersuchungsergebnis der Kommission war ursprünglich schon am Samstag erwartet worden.

Karsai verweigert sich offenbar Stichwahl

Karsai hatte bei der Wahl nach vorläufigen Ergebnissen rund 55 Prozent der Stimmen erzielt, der frühere Außenminister Abdullah rund 28 Prozent. EU-Beobachter stuften jedoch jede vierte abgegebene Stimme wegen Betrugsvorwürfen als "verdächtig" ein.

Die Washington Post hatte vergangene Woche unter Berufung auf Diplomatenkreise berichtet, die ECC werde den Stimmenanteil für Karsai auf 47 Prozent reduzieren. Auch ein Sprecher Abdullahs sagte, Karsai werde in dem korrigierten Ergebnis auf 47 oder 48 Prozent kommen. Insgesamt gab es 25.500 Wahllokale. Die Mitarbeiter der unabhängigen Wahlkommission (IEC) hatten mehr als 3000 Wahlurnen überprüft.

Nach Angaben von Diplomaten kam es zu Verzögerungen, weil westliche Staaten Karsai überzeugen wollten, sich auf eine Stichwahl mit seinem Hauptrivalen Abdullah Abdullah einzulassen. Karsai hat dies bislang abgelehnt.

Beschwerden wegen Betrugs bei der Wahl vor acht Wochen und das noch immer ausstehende endgültige Ergebnis haben die Lage in Afghanistan noch instabiler werden lassen.

Die US-Regierung mahnte, sie brauche einen zuverlässigen Partner in Afghanistan. Dies ist auch maßgeblich für die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama, ob 40.000 zusätzliche Soldaten in das Land entsandt werden sollen.

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