Afghanistan Kritik an Kanzlerin:"Merkel muss Leadership zeigen"

Klartext statt "Wortwolken": Nach dem Tod vier deutscher Soldaten fordern SPD und Grüne von Kanzlerin Merkel, den Einsatz zur Chefsache zu machen.

Oliver Das Gupta

Da ist sie wieder: Eine Diskussion um Angela Merkels Führungsqualitäten. Anders als zu Jahresbeginn kommen die kritischen Töne nicht aus Reihen der Union, sondern aus der Opposition.

Dort herrscht Unmut darüber, wie die Kanzlerin das Thema Afghanistan handhabt. Einen Tag nachdem bekannt wurde, dass vier deutsche Soldaten beim Einsatz am Hindukusch gefallen sind, vermissen die verteidigungspolitischen Sprecher von SPD und Grünen klare Aussagen der Regierungschefin.

Merkel und die spitzen Finger

"Angela Merkel darf das Thema Afghanistan nicht länger mit spitzen Fingern anfassen", sagt Rainer Arnold zu sueddeutsche.de. Merkel müsse die Bundeswehr-Mission "zur Chefsache machen", fordert der Sozialdemokrat.

Auch Omid Nouripour, der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, verlangt, dass Merkel klare Kante in der Causa Afghanistan zeigt: "Merkel darf sich nicht länger hinter Wortwolken verstecken", sagt Nouripour im Gespräch mit sueddeutsche.de: "Sie muss 'Leadership' zeigen."

Mit ihrem "Hang zum Ungefähren" helfe Merkel am wenigsten den Soldaten in Afghanistan, so der Grüne. "Die erwarten klare Worte und eine Perspektive: eine realistische Abzugsstrategie."

Grundvoraussetzungen für eine Abzugsperspektive sei, dass die Bundesregierung eine "ehrliche Analyse" der Lage in Afghanistan durchführe.

Nouripour erinnerte daran, dass Karl-Theodor zu Guttenberg als Abgeordneter 2008 eine solche Evaluation gefordert hat - "damit hatte er Recht", lobte der Grüne den Christsozialen. Nun könne Guttenberg als Verteidigungsminister eine solche Erhebung selbst durchsetzen.

Nouripour sieht allerdings Merkel in der Hauptverantwortung für den Abzugsplan der Bundeswehr. Die CDU-Vorsitzende sei in der Pflicht dafür zu sorgen, dass eine solche Strategie organisiert wird. "Das hat sie definitiv zu erledigen." Dabei gehe es nicht darum Jahreszahlen, sondern konkrete Wegmarken zu benennen.

Merkel stellt sich hinter Einsatz

Ähnlich äußert sich Rainer Arnold: Es reiche nicht, wenn Kanzlerin und Verteidigungsminister von "Krieg" sprechen, kritisiert Arnold: "Wichtig ist, welche Schlüsse sie daraus ziehen." Wenn die Regierung "Krieg" in Afghanistan sehe, reiche die Begründung für diesen Einsatz nicht mehr aus. Dann sei ein neues Mandat notwendig, so wie es SPD-Chef Sigmar Gabriel gefordert hat.

Die Kanzlerin hat inzwischen klargemacht, dass sie auch nach den jüngsten blutigen Zwischenfällen in Afghanistan keinen Anlass dafür sieht, ihre Afghanistan-Politik grundlegend zu ändern. Merkel stellte sich demonstrativ hinter den Einsatz, für den es nach allen Umfragen in der Bevölkerung keine Mehrheit gibt. Merkel sagte kurz vor dem Ende ihrer USA-Reise: "Ich weiß, dass viele Menschen Zweifel haben, ob der Einsatz richtig ist. Doch ich will auch sagen, dass ich ganz bewusst hinter diesem Einsatz stehe, damit das Land stabilisiert wird und selbst für seine Verantwortung sorgen kann."

Inzwischen wurde bekannt, dass die vier Deutschen im Alter von 24 bis 38 Jahren bei zwei verschiedenen Anschlägen starben.

Drei der Soldaten wurden in der Nähe der nordafghanischen Stadt Baghlan durch die Explosion einer ferngezündeten Sprengfalle getötet - und nicht durch einen Raketenangriff, wie es zunächst geheißen hatte.

Der vierte Soldat, ein Sanitäts-Offizier, kam erst vier Stunden später durch eine Granate ums Leben, als er auf dem Weg zum Schauplatz des ersten Angriffs war. Für die Todesopfer soll es sowohl in Afghanistan als auch in Deutschland Trauerfeiern geben.

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