Afghanistan: Kritik an Käßmann:"Hochmütiges Pauschalurteil"

Bischöfin Margot Käßmann entzieht gläubigen Soldaten den Boden, denn sie verurteilt den Afghanistan-Einsatz. Allerdings zeigt sie keine Alternative auf - und speist die Mitglieder der Truppe mit einer Worthülse ohne Substanz ab.

Klaus Naumann

General a. D. Klaus Naumann, 70, war bis zum Jahr 1999 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses. Er schrieb diesen - hier leicht gekürzten Brief - Mitte Januar. Margot Käßmann hat nicht geantwortet.

Bundeswehr, Afghanistan, afp

Keine Unterstützung von der evangelischen Kirche: Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan hat nach Ansicht von Bischöfin Käßmann keinen Sinn.

(Foto: Foto: AFP)

Ich schreibe Ihnen als evangelischer Christ, der trotz vieler Enttäuschungen eigentlich doch noch an seiner Kirche festhalten will und der sich aus anhaltender Verbundenheit mit dem Beruf des Soldaten den Rückhalt und den Trost seiner Kirche für die im Einsatz stehenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wünscht.

Ich schreibe Ihnen aber auch, weil ich in und nach meinem Berufsleben gezwungen war, mich mit der Lehre vom gerechten Krieg ebenso auseinanderzusetzen wie mit der Legitimation von militärischen Einsätzen zum Schutz menschlichen Lebens und zur Rettung von Menschen vor der Gewalt von Staaten.

Ich habe mich wie alle Soldaten, die ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, nie danach gesehnt, meinen Beruf ausüben zu müssen, noch habe ich je geglaubt, dass Krieg einen Frieden schaffen kann, der nicht der Ruhe der Friedhöfe gleicht.

Ich weiß aus eigenem Erleben in den Bombennächten in München, dass der amerikanische General Grant recht hatte als er sagte: "Krieg ist die Hölle", und ich bin davon überzeugt, dass jeder Krieg ein Versagen der Menschlichkeit ist. Dennoch habe ich erleben müssen, dass es Situationen gibt, in denen es keine Alternative zu militärischem Eingreifen gibt.

Gefühl der Mitschuld

Hätte ich bereits 1993 Milosevic so gekannt, wie ich ihn ab 1998 kennenlernte, dann hätte ich nicht so lange loyal die Position der damaligen Bundesregierung vertreten, keine deutschen Soldaten im früheren Jugoslawien einzusetzen.

Heute weiß ich, dass unser Land und damit auch ich als der damals oberste Soldat Deutschlands durch diese Haltung Mitschuld für die Tragödie Jugoslawiens in den neunziger Jahren tragen.

Das Gefühl der Mitschuld hat mich auch nie verlassen, wenn ich an Ruanda denke, wo es nicht gelang, dem Wunsch der Regierungen Frankreichs und Belgiens nach deutscher Beteiligung bei einer im Umfang sehr begrenzten vorbeugenden militärischen Intervention zu entsprechen.

Die Erinnerung an unser Versagen in Ruanda war für mich die Triebfeder, dem Wunsch der kanadischen Regierung zu entsprechen, mich 2001 der "International Commission on Intervention and State Sovereignty" anzuschließen, deren Bericht Grundlage einer Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2005 wurde.

Diese Entschließung könnte unser Land im äußersten Falle verpflichten, ein Eingreifen zum Schutz bedrohten Lebens mit militärischen Mitteln zu erwägen. Wie notwendig das sein kann, habe ich 1998 erlebt, als ich zusammen mit dem amerikanischen General Clark Milosevic in endlosen 26 Stunden schließlich überreden konnte, seine Truppen aus dem Kosovo abzuziehen.

Keines der von Ihnen in Ihrer Predigt genannten nicht-militärischen Mittel hätte diesen Mann zu dieser Entscheidung bewegen können. Es war allein die Drohung, binnen 48 Stunden zu bombardieren, die ihn einlenken ließ.

Als die Nato-Staaten sechs Monate später den Frieden verloren und die Luftoperationen begannen, hatte ich die bislang vielleicht schwerste Entscheidung meines Lebens zu treffen: den Rat zu geben, legitimierbare militärische Gewalt anzuwenden, obwohl die legale Basis dafür brüchig war.

Auf Seite 2: Was Naumann sich von seiner Kirche erwartet.

Belastende Entscheidungen

Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, welche Last der Verantwortung es auch für den obersten Soldaten der Nato ist, junge Menschen in einen lebensgefährlichen Einsatz auf schwankender rechtlicher Grundlage zu schicken, in dem sie töten müssen.

Afghanistan: Kritik an Käßmann: General a. D. Klaus Naumann, 70, auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1999.

General a. D. Klaus Naumann, 70, auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1999.

(Foto: Foto: Reuters)

In dieser Lage wäre es gut zu wissen, dass die eigene Kirche einem zumindest die Hoffnung lässt, eines Tages doch Vergebung zu erlangen, weil das Motiv des eigenen Handelns die Rettung bedrohter Menschen war.

Fehlender Trost

Aus Ihrer Predigt könnte ich diese Zuversicht nicht ableiten. Als Handelnder in solchen Grenzsituationen wünscht man sich aber die Klarheit, mit der Martin Luther die Fragen des Kriegshauptmannes Assa von Cramm beantwortete, wenigstens aber eine Aussage, wie sie Bischof Mixa für die katholische Militärseelsorge gegeben hat, als er sagte, der Einsatz militärischer Mittel sei immer ein Übel, aber unter sehr engen Bedingungen vertretbar.

Sie, Frau Bischöfin, haben in Ihrer Predigt den Soldaten und deren Familien keinerlei Trost gespendet. Im Gegenteil, Sie haben ihnen nahezu den Teppich unter den Füßen weggezogen, als Sie ohne jede Sachkenntnis von der Kanzel herab Ihr hochmütiges, aber in jeder Hinsicht falsches Pauschalurteil abgaben: "Nichts ist gut in Afghanistan."

Glauben Sie, dass die Familien, deren Mütter oder Väter, deren Töchter oder Söhne in Afghanistan im Einsatz sind, die Opfer, vielleicht sogar das äußerste, bringen, Trost und Hilfe finden können, wenn Sie deren Tun pauschal als verfehlt und deren Opfer als vergeblich bezeichnen?

Glauben Sie wirklich, dass die evangelischen Christen Sie noch verstehen, die im Einsatz in Afghanistan sind oder waren, die das Sterben von Menschen und die Verwundung von Kameraden ansehen, vielleicht sogar töten mussten, weil sie einen ihnen vom Deutschen Bundestag gegebenen Auftrag ausführen? Meinen Sie, dass Sie den Abgeordneten gerecht werden, die dieses Mandat nach schwerem Ringen mit sich selbst erteilt haben?

Das wäre vielleicht alles noch hinnehmbar, wenn Sie wenigstens eine Alternative aufgezeigt hätten, die Hoffnung gäbe. Aber noch nicht einmal das haben Sie getan, denn Ihre Aufforderung, man müsse mehr Phantasie für den Frieden aufwenden, ist eine Worthülse ohne jegliche Substanz.

Gläubige nicht alleine lassen

Wie wollen Sie denn einen gewaltbereiten Gegner, der keinerlei Bindung an Recht oder unsere sittlichen Normen kennt, zu anderen Formen der Konfliktlösung überreden, wenn der noch nicht einmal zum Gespräch bereit ist? Auch Ihre Forderung, gegen Krieg und Gewalt aufzubegehren, ist leider nicht mehr als eine wohlklingende, aber an der Wirklichkeit Afghanistans vorbeigehende leere Formel.

Ich hoffe, dass Sie nach Ihrer Reise (nach Afghanistan, d. Red.) zu einer Haltung finden, die den evangelischen Christen unter den zivilen Helfern, den Polizisten und den Soldaten in Afghanistan die Gewissheit gibt, dass ihre Kirche sie in diesem schweren Einsatz nicht länger allein lässt und ihnen, auch dann, wenn sie Fehler machen, die Hoffnung auf die Gnade Gottes lässt.

Damit hoffe ich auch, dass dann die evangelische Kirche auch Menschen wie mir noch Heimat sein kann, die militärische Mittel immer für ein Übel, aber ein unter sehr engen Bedingungen vertretbares halten.

Im Video: Die Londoner Afghanistan-Konferenz soll nach den Worten von Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Wende in den internationalen Bemühungen um das Land bringen.

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