Süddeutsche Zeitung

Afghanistan-Konferenz:Taliban, Politiker und Aktivisten vereinbaren Reduzierung der Gewalt

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Die Gespräche zwischen Taliban und afghanischen Politikern und Aktivisten im Golfemirat Katar haben vorsichtige Hoffnungen auf Fortschritte im Friedensprozess geschürt. Der gemeinsamen Erklärung am Ende der "innerafghanischen Dialogkonferenz" zufolge beabsichtigen die Seiten eine Reduzierung der Gewalt in dem kriegszerrissenen Land. Angriffe auf religiöse Zentren, Schulen, Krankenhäuser, Bildungszentren, Basare, Wasserdämme oder Arbeitsplätze sollen demnach eingestellt werden. Die Zahl der zivilen Opfer solle auf null gesenkt werden. Unklar blieb zunächst, ab wann diese Zielsetzung gelten soll und ob die Erklärung bindend ist, da es sich nicht um formelle Verhandlungen handelte.

Die von Deutschland und Katar ausgerichtete Dialogkonferenz hatte am Sonntag begonnen. Zu dem Treffen in der Hauptstadt des Golfstaats Katar waren Vertreter der radikalislamischen Taliban sowie aus verschiedenen Regionen des Landes stammende Afghanen aus Politik und Zivilgesellschaft eingeladen worden.

Die Konferenz lief teils sehr emotional ab. In der Vergangenheit hatte der Konflikt kaum einen Teilnehmer unberührt gelassen. Ex-Außenminister Rangin Dadfar Spanta hat 13 Familienmitglieder in 15 Jahren verloren, unter ihnen zwei Brüder. Nader Naderi, Leiter der Verwaltungsreformkommission, wurde unter den Taliban gefoltert. Anfang Juni wurden bei einem Anschlag in Kabul auf einen Bus mit Mitarbeitern seiner Kommission fünf seiner Kollegen getötet. Sie alle saßen mehreren Taliban gegenüber, die jahrelang im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba inhaftiert waren. "Ich habe den Mut zu vergeben, da ich weiß, dass auch Ihre Mitglieder gelitten haben", sagte Naderi der New York Times zufolge zu den Taliban. Der afghanische Journalist Saki Darjabi berichtete, fast alle Teilnehmer hätten geweint, als die Aktivistin Dschamila Afghani die Geschichte eines Mannes namens Nadir Khan erzählt habe. Khan sei durch ein Versehen von afghanischen Sicherheitskräften getötet worden. Und am Sonntag seien mehrere seiner Kinder bei einem Autobombenanschlag in der südostafghanischen Stadt Gasni verwundet worden. Den Anschlag hatten die Taliban für sich reklamiert.

Die Dialogkonferenz war für viele Teilnehmer eine Möglichkeit, herauszufinden, ob die Taliban ihre Einstellungen geändert haben. Als sie zwischen 1996 und 2001 das Land beherrschten, durften Frauen nicht arbeiten oder die Schule besuchen. Die New York Times berichtete, dass sich hochrangige Taliban bei Teepausen respektvoll unter die weiblichen Delegierten mischten. Alle Bilder aus Doha wurden von Afghanen bis ins letzte Detail analysiert. In sozialen Medien machten sich manche Afghanen darüber lustig oder wunderten sich, dass Vertreter der Taliban mit Löffeln und Gabeln essen, mit Frauen reden, Englisch sprechen oder lachen würden.

Der Abschlusserklärung zufolge sollen ältere und kranke Gefangene sowie solche mit Behinderungen freigelassen werden. Frauen wurde die Aufrechterhaltung ihrer Rechte in den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Bildung und Kultur "im Rahmen der islamischen Werte" zugesichert, ohne diesen Rahmen näher zu erläutern. Teilnehmer Naderi zufolge weigern sich die Taliban aber, die breiter gefassten internationalen Verpflichtungen Afghanistans anzuerkennen, insbesondere jene im Bereich Frauenrechte. "Wir hoffen, dass diese bald Gegenstand von Diskussionen in Verhandlungen mit der Regierung sein werden", schrieb Naderi auf Twitter.

Um den Konflikt in Afghanistan beizulegen, laufen intensive diplomatische Bemühungen. Seit Juli 2018 führen die USA direkte Gespräche mit Taliban-Vertretern. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban zur Terrorismusbekämpfung. Gleichzeitig wird versucht, innerafghanische Friedensgespräche zwischen den Taliban und der Regierung in die Wege zu leiten.

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