Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Deutscher Kurztrip nach Kabul

Erstmals seit dem Sieg der Taliban fliegen deutsche Diplomaten in die Hauptstadt. Sie verhandeln vor allem über humanitäre Hilfe und die Rettung gefährdeter Personen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Der Flug von Doha startete mitten in der Nacht um 3.30 Uhr. An Bord der katarischen Maschine: der Afghanistan-Beauftragte des Auswärtigen Amtes, Jasper Wieck, sein niederländischer Kollege Emiel de Bont und der designierte deutsche Botschafter in Afghanistan, Markus Potzel. Seitdem Kabul im August in die Hand der Taliban fiel, ist es das erste Mal, dass deutsche Diplomaten zurückkehren in Afghanistans Hauptstadt.

Von der Wiedereröffnung der Botschaft dort ist keine Rede. Aber den Gesprächsfaden zu den neuen Machthabern will die Bundesregierung nicht abreißen lassen. Groß ist in Berlin die Besorgnis über eine drohende Hungersnot im bevorstehenden Winter. Und auch die Möglichkeiten, deutsche Staatsangehörige, frühere Ortskräfte deutscher Stellen und andere besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen außer Landes zu bringen, hängen an der Kooperationsbereitschaft der Taliban. Einige Hundert Menschen konnten in den vergangenen Wochen ausreisen und haben Visa für Deutschland erhalten.

Die Delegation führte deshalb Gespräche mit einer ganzen Reihe hochrangiger Vertreter des international nicht anerkannten Taliban-Regimes, unter ihnen Vizepremier Mullah Abdul Ghani Baradar, Außenminister Amir Khan Muttaqi und Geheimdienstchef Abdul Haq Wasiq. Zusagen erhielten die Besucher von den Taliban für den sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen, auch für deren Mitarbeiterinnen.

Mädchen sollen weiter zur Schule gehen dürfen

Über die rein humanitäre Hilfe hinaus bekundeten die Diplomaten die Bereitschaft, über internationale Organisationen auch Gehälter für Lehrerinnen und Lehrer und Beschäftigte im Gesundheitssystem direkt auf deren Konten zu zahlen - damit soll ausgeschlossen werden, dass die Taliban Verfügungsgewalt über dieses Geld erlangen. Die Taliban sicherten im Gegenzug zu, dass Mädchen weiter in Grundschulen wie auch in weiterführenden Schulen bis zur 12. Klasse gehen dürfen. Lehrerinnen sollen in allen Klassenstufen unterrichten dürfen und die Lehrpläne gegenüber denen der untergegangenen Republik nicht verändert werden.

Selbst Gespräche mit dem früheren Präsidenten Hamid Karzai und Abdullah Abdullah, der vor dem Sturz der Regierung als deren operativer Chef fungierte, arrangierten die Taliban während des siebenstündigen Aufenthalts - den Rufen nach einer inklusiven Regierung indes geben sie bislang nicht nach.

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