Afghanistan:Attentat auf Moschee

Afghanistan: Opfer des Anschlags auf die Siddiquiya-Moschee wurden am Donnerstag in Kabul beigesetzt.

Opfer des Anschlags auf die Siddiquiya-Moschee wurden am Donnerstag in Kabul beigesetzt.

(Foto: Ebrahim Noroozi/AP)

Hinter dem Anschlag in Kabul mit mindestens 21 Toten könnte der IS stehen. Die Taliban haben die Sicherheitslage offenbar nicht im Griff.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Der verheerende Bombenanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul zeigt, dass das Regime der Taliban nicht als hundertprozentig gesichert gelten kann. Die Zahl der Todesopfer bei dem Attentat in einer Moschee am Mittwochabend soll laut Nachrichtenagenturen inzwischen bei mindestens 21 liegen. Andere Quellen berichteten am Donnerstag von mindestens 25 Toten. Verletzt wurden mehr als 30 Menschen, viele von ihnen schwer, darunter mindestens fünf Kinder.

Das Attentat auf die sunnitische Siddiquiya-Moschee im Stadtteil Khair Khana im Norden Kabuls wurde während des Abendgebetes verübt, offenbar von einem Selbstmordtäter. Wer verantwortlich ist, war noch unklar. Naheliegend ist, dass der Islamische Staat (IS) dahinter steht. Der afghanische Ableger des IS, der sich "Islamischer Staat in Khorasan" nennt, bekämpft die Taliban seit Jahren erbittert. Der afghanische IS ist den Taliban zahlenmäßig weit unterlegen. Er konzentriert sich in seinem Terrorkampf auf den Osten und die Hauptstadt Kabul.

Afghanistan: Den Jahrestag ihrer Machtergreifung feierten Taliban-Kämpfer am Montag in Kabul, hier vor dem Gebäude, in dem die US-Botschaft war.

Den Jahrestag ihrer Machtergreifung feierten Taliban-Kämpfer am Montag in Kabul, hier vor dem Gebäude, in dem die US-Botschaft war.

(Foto: Ebrahim Noroozi/AP)

Die IS-Anschläge auf das Regime der Taliban, das am 15. August den ersten Jahrestag seiner Machtübernahme feierte, häufen sich in den vergangenen Monaten. Der bisher schwerste Anschlag ereignete sich zwar schon am 26. August 2021 während des Abzugs der letzten westlichen Soldaten aus Kabul: Die Attentäter hatten ihre Bomben vor der Mauer des von Zehntausenden fluchtwilligen Afghanen umstellten Flughafens gezündet. Die genaue Zahl der Opfer ist im Abzugs-Chaos nie bekannt geworden. Es könnten aber mehr als 150 Afghanen getötet worden sein, auch 13 US-Soldaten starben.

Dieser Anschlag war aber ein Sonderfall. IS-Attacken richten sich meist gegen die schiitische Minderheit in Afghanistan, immer wieder sind ihre Moscheen und Einrichtungen Ziele. Auch ein Tempel der aus Indien stammenden Religionsgruppe der Sikhs wurde vor einigen Wochen in Kabul Ziel.

Angegriffen werden in jüngster Zeit allerdings auch Anhänger der Taliban, die für afghanische Verhältnisse als vergleichsweise liberal gelten müssen. So wurde von wenigen Tagen der Geistliche Rahimullah Haqqani Opfer eines Anschlags. Der unter den den Taliban hochgeachtete Geistliche hatte sich dafür stark gemacht, Mädchen höhere Schulen und Universitäten zu öffnen. Die Scharia gestatte Bildung für Mädchen und Frauen, hatte Haqqani erklärt. Dies steht im Gegensatz zur Meinung vieler Taliban.

Der Geistliche war zudem Gegner der Ideologie des Islamischen Staats, er könnte ihn daher ins Visier genommen haben. Der Attentäter konnte sich dem Prediger im gut gesicherten Kabuler Viertel Scherpur unerkannt nähern, weil er die Bombe in seiner Beinprothese versteckt hatte.

Auch liberalere Taliban werden neuerdings zum Ziel von Terroristen

Der Imam der am Mittwoch angegriffenen Siddiquiya-Moschee zählte wie Haqqani zu einer eher liberalen Gruppe Geistlicher in Afghanistan. Mullah Amir Mohammad Kabuli soll Anhänger der Sufi-Schule gewesen sein; ultra-radikale Islamisten wie die Gefolgsleute des IS, aber auch viele Taliban lehnen diese mystische Richtung des Islam als ketzerisch ab.

Die Attentate zeigen, dass die Sicherheitskräfte der Taliban die 4,5-Millionen-Einwohner-Stadt Kabul nicht vollständig kontrollieren können. Für die Taliban ist das ein Gesichtsverlust. Als Legitimation ihres Regimes führen sie stets an, dass seit ihrer Machtübernahme Sicherheit und Frieden im Land herrschten.

Zielrichtung der IS-Attentate gegen liberalere Taliban könnte es sein, die herrschenden Islamisten zu spalten. Die Taliban zerfallen in Fraktionen, die Radikalen stehen einem eher traditionalistisch ausgerichteten Flügel gegenüber. Die Angriffe auf liberalere und gemäßigte Kräfte könnten Zuspruch bei den Radikalen finden.

Zudem gibt es andere Gruppen, bei denen die IS-Attacken zumindest in Teilen Zustimmung finden könnten. Etwa die Überreste von al-Qaida, deren Anführer Aiman al-Zawahiri die CIA jüngst in Kabul bei einem Drohnenangriff getötet hatte. Westlichen Geheimdiensten zufolge kehren viele Al-Qaida-Anhänger aus Nachbarländern oder der arabischen Welt zurück nach Afghanistan. Sie waren nach der Al-Qaida-Attentatsserie vom 11. September 2001 in den USA von den amerikanischen Streitkräften aus dem Land vertrieben worden. Ob sie sich in Richtung der Taliban oder des IS orientieren werden, ist noch völlig offen.

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