Während sich die Taliban in Afghanistan weitgehend an eine mit der Regierung vereinbarte dreitägige Feuerpause halten, haben Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates (IS) in der Stadt Dschalalabad ein Gefängnis gestürmt.
Vielen der insgesamt etwa 2000 Insassen gelang die Flucht, nachdem etwa 30 Mitglieder der Terrororganisation am Sonntag vor der Haftanstalt eine Autobombe gezündet und das Feuer auf die Wachposten eröffnet hatten. Auch ein weiteres Gebäude in der Nähe wurde von ihnen besetzt.
Bei den Kämpfen, die die ganze Nacht hindurch fortgesetzt wurden und weiter anhalten, sind bislang mindestens 24 Menschen getötet worden. Den Behörden zufolge sind darunter drei der IS-Kämpfer sowie mindestens 21 Zivilisten und Angehörige der Sicherheitskräfte. 50 Menschen seien bei den zweitägigen Kämpfen in Dschalalabad verletzt worden, teilte ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Nangarhar, mit. Wie es hieß, wird die lokale Polizei von Sondereinsatzkräfte unterstützt. Die Gegend rund um das Gefängnis sei evakuiert worden. In der Stadt wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Wie vielen der Insassen - darunter Taliban- und IS-Kämpfer sowie gewöhnliche Verbrecher - die Flucht gelang, wurde nicht bekannt. Ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Nangarhar gab jedoch an, bis Mittag seien etwa 1000 der Entflohenen wieder gefasst worden.
Der sogenannte Islamische Staat (IS) reklamierte den Angriff bereits am Sonntag für sich, während die Taliban jede Verantwortung von sich wiesen.
Rache für den Tod eines IS-Anführers?
Der Angriff könnte eine Reaktion auf die Tötung eines hochrangigen Anführers des IS durch Spezialkräfte am Samstag sein. Wie der Inlandsgeheimdienst mitteilte, handelte es sich um Assadullah Oroksai. Im April hatten Spezialkommandos den Anführer des IS-Ablegers in Afghanistan, Aslam Faruki, festgenommen.
Dschalalabad liegt etwa 130 Kilometer östlich von Kabul an einer Schnellstraße, die nach Pakistan führt. Die Grenzregion gilt als Rückzugs- und Unterschlupfgebiet vieler Extremisten. Die Provinz Nangarhar galt als Hochburg des IS in Afghanistan, bevor das Land Ende 2019 den militärischen Sieg über die Terroristen verkündet hatte. Dennoch verübt der IS dort immer wieder Anschläge. Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats operieren rund 2200 IS-Kämpfer in Afghanistan.
Die USA hatten mit den Taliban am 29. Februar in Doha (Katar) ein Abkommen unterzeichnet. Es sieht einen Abzug der internationalen Truppen sowie einen Gefangenenaustausch als vertrauensbildende Maßnahme vor und soll den Weg für innerafghanische Friedensgespräche bereiten. Im Gegenzug sicherten die Taliban zu, ihre Beziehungen zu anderen Terrororganisation zu beenden.
Experten gehen davon aus, dass der IS nach einem möglichen Friedensschluss der militant-islamischen Taliban mit der afghanischen Regierung Zulauf von Taliban-Kämpfern erhalten könnte, die eine Einigung mit der Regierung ablehnen.