Afghanistan:Frieden? Kein Interesse

Anstatt das Angebot des afghanischen Präsidenten zu einer Waffenruhe anzunehmen, überfallen die Taliban Reisebusse.

Die radikal-islamischen Taliban lehnen die vom afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani angebotene Waffenruhe während des bevorstehenden islamischen Opferfestes ab. Vertreter der Islamisten teilten am Montag mit, der oberste Anführer Scheich Haibatullah Achunsada habe angeordnet, dass der Kampf gegen die Regierung fortgesetzt werde. Präsident Ghani hatte am Sonntag trotz der heftigen Kämpfe um die Stadt Ghasni eine Waffenruhe mit den Taliban angekündigt. Diese sollte am Montag beginnen und so lange dauern, wie die Taliban mitmachten, sagte er.

Am Montag brachten die Taliban in Kundus stattdessen drei Reisebusse mit mehr als hundert Insassen in ihre Gewalt. Nach der Entführung gab es unterschiedliche Angaben über das Schicksal der Geiseln. Während ein Sprecher des Innenministeriums am Montag davon sprach, mehr als 140 Geiseln seien von einem Suchtrupp der afghanischen Streitkräfte befreit worden, nur noch 21 Menschen seien in den Händen der Taliban, widersprachen lokale Behördenvertreter dieser Darstellung. Laut dem Polizeichef des Bezirks Chanabad, Abdul Sahir, wurden noch keine Geiseln von den Taliban freigelassen oder von Regierungskräften befreit.

Der Polizeichef sagte, das Dorf, in dem die Passagiere festgehalten würden, sei unter Taliban-Kontrolle, Sicherheitskräfte hätten dort keinen Zugriff. Ein Taliban-Sprecher bestätigte, dass Kämpfer mehrere Busse aufgehalten hätten. Man habe sie nach Sicherheitskräften durchsucht. "So Gott will, sind manche schon entlassen worden und manche werden bleiben", sagte er via Whatsapp. Taliban-Kämpfer errichten immer wieder Kontrollposten auf Überlandstraßen und durchsuchen Autos und Busse.

Die Extremisten konnten nur mit US-Hilfe zurückgedrängt werden

Bei Selbstmordanschlägen sowie Kämpfen zwischen Extremisten und afghanischen Soldaten sind im ersten Halbjahr mehr als 1600 Zivilisten getötet worden, wie die Vereinten Nationen mitteilten. Seit dem Rückzug des Großteils der ausländischen Streitkräfte im Jahr 2014 haben die Taliban stetig an Boden gewonnen. Dem afghanischen Innenministerium zufolge hatten sie erst vor einigen Tagen in der nördlichen Provinz Farjab Teile eines Bezirks unter ihre Kontrolle gebracht. Mehr als 50 Soldaten würden vermisst. Bei den Kämpfen um Ghasni war US-Unterstützung nötig, um die schwer bewaffneten Extremisten zurückzudrängen. Dabei kamen mindestens 150 Soldaten um.

Russland plant für Anfang September ein Treffen zum Afghanistan-Konflikt, zu dem auch die Taliban eingeladen sind. Das sagte der russische Sondergesandte Samir Kabulow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Die Konferenz solle am 4. September in Moskau stattfinden und gehöre "zu den Bemühungen, einen Prozess der nationalen Versöhnung in Afghanistan in Gang zu bringen".

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